Über das Melodiespiel aus dem Lehrbuch MELODIEGITARRE
In der Spielliteratur für klassische Gitarre gibt es einige Werke aus dem 19. und 20. Jahrhundert, wie z.B. die Ländler von Mauro Giuliani, die alpenländisch klingen. Diese Stücke haben jedoch nur wenig mit der Spielpraxis der heutigen alpenländischen Volksmusik zu tun.
Die Gitarre erhielt ihre charakteristische Rolle als Melodieinstrument durch die Bearbeitungen von Tobi Reiser (1907-1974) und Sepp Eibl (1934-2023). Sie arrangierten traditionelle Melodien, ursprünglich für Violine und Klarinette, nach alten handschriftlichen Noten für die Gitarre.
Die Melodiegitarre kann ein-, zwei- oder dreistimmig gespielt werden. Zweistimmige Melodien in Terzen oder Sexten eignen sich für langsame und mittelschnelle Tempi bzw. Melodiebewegungen, während schnelle Melodiebewegungen dann einstimmig gespielt werden. Schüttelmelodien bestehen meist aus eintaktigen Phrasen (Zerlegungsmuster) mit zwei- oder dreistimmigen Akkorden.
Das Melodiespiel baut auf klassischen Spieltechniken auf und integriert zahlreiche Besonderheiten, die von Gitarristen der alpenländischen Volksmusik entwickelt wurden.
Melodietypen
Einfache Melodien
sind Lieder, die einstimmig auf der Gitarre gespielt und transponiert werden können.
Tonleitermelodien
sind einstimmige Melodien, die auf einer Tonleiter basieren.
Steffibauer-Walzer / B-Teil
Die einstimmige Melodie ist eine typische Tonleitermelodie (D-Dur Tonleiter / II. Lage mit Leersaite) und wird mit dem Wechselschlag m i oder p i angeschlagen.
Akkordfolge: verkehrt
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|D7
|G
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|D7
|G
|D7
|G
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Terzenmelodien
sind zweistimmige Melodien in Terzen auf einem Saitenpaar oder in einer Lage (Position).
Gitarren Bayrischer / A-Teil
Diese zweistimmige Melodie besteht hauptsächlich aus Terzen und wird mit Zeigefinger (i) und Mittelfinger (m) zusammen angeschlagen.
Akkordfolge: gradaus 2
|C
|C
|G7
|C
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|C
|C
|G7
|C
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Schüttelmelodien
sind Melodien mit zwei- oder dreistimmigen Akkorden und ein- bis viertaktigen Zerlegungen.
Boarischer
Diese dreistimmige Schüttelmelodie basiert auf einer eintaktigen Phrase, mit Ausnahme des Auftakts und der Schlussphrase. Die drei Saiten werden mit Daumen (p), Zeigefinger (i) und Mittelfinger (m) gespielt.
Akkordfolge: verkehrt
|G7
|C
|G7
|C
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|G7
|C
|G7
|C
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Akkordmelodien (Arpeggien)
sind ein- oder zweistimmige Melodien mit Melodieakkorden in einer Lage (Position).
Komplexe Melodien
setzen sich aus verschiedenen Melodietypen und deren Spieltechniken zusammen.
Zillertaler Boarischer
Bei dieser etwas anspruchsvolleren Melodie beginnt der Wechselschlag mit dem Zeigefinger (i). Dabei schlägt der Zeigefinger in der Terzenfolge immer die tiefere Saite an. Im zweiten Takt (Schüttelbewegung) kommt der Daumen (p) hinzu.
Akkordfolge: gradaus 1
|C
|G7
|G7
|C
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|C
|G7
|G7
|C
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Halbwalzer Partie
Die Melodie besteht aus einstimmigen Tonleitern, Terzengang und Arpeggien (Tonfolgen auf Akkordtönen).
Akkordfolge: verkehrt
16-taktig
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|E7
|A
|A
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|E7
|E7
|A
|A
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|E7
|E7
|A
|A
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|E7
|E7
|A
|A
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Einführung in das Lagenspiel
Das Lagenspiel wird in drei Schritten von der Ausgangsbasis (I. Lage mit Leersaiten) über das Nachrücken und Verschieben der Finger (in die Lagen) gezeigt und erlernt. Der Fingersatz kann dann über das gesamte Griffbrett verschoben und so das Lagenspiel in die verschiedenen Tonarten transponiert werden.
Methode
1. Ausgangsbasis C-Dur / I. Lage mit Leersaite / Fünftonreihe
2. Nachrücken der Finger C-Dur / (I. Lage mit Leersaite)
- Anstelle von Finger 1 kommt Finger 2 usw.
3. Verschieben der Finger G-Dur / VII. Lage / C-Typ-Tonleiter
- Fingersatz in die VII. Lage verschieben
- Finger 1 greift die Leersaite
Verschieben des Fingersatzes D-Dur / II. Lage / C-Typ-Tonleiter
Der mit Finger 2 auf der Saite ② gegriffene Grundton bestimmt die Tonart in den Lagen.
Übungen
Spiele die Fünftonreihe in A-, E-, H- und F-Dur.
Spiele bekannte Liedmelodien im Fünftonraum in der I. Lage und transponiere sie dann mit dem verschiebbaren Fingersatz in die Standardtonarten für Gitarre: G-, D-, A-, E- und F-Dur.
Praktisches Beispiel
mit erweiterter Tonleiter
Rehragout-Boarischer / Tanzlied
C-Dur / I. Lage
G-Dur / VII. Lage
Tonleiter: vertikal / horizontal
Vertikale und horizontale Darstellung am Beispiel der C-Dur-Tonleiter.
Tonleitermelodien
Tonleitermelodien werden grundsätzlich vertikal über mehreren Saiten in einer Lage gespielt und mit den Fingern in einer Position gegriffen. Gegebenenfalls können Dehnungen (Spreizungen), Kontraktionen (Zusammenziehen) oder kleine Barrés über zwei oder drei Saiten innerhalb einer Lage verwendet werden.
Vertikale Tonleitern in verschiedenen Lagen können mit einem Lagenwechsel verbunden und somit in einer horizontalen Bewegung mit der Greifhand ausgeführt werden. Nach Möglichkeit werden Töne einer Leersaite verwendet, um einen direkten Lagenwechsel zu vermeiden.
Terzenmelodien
Zweistimmige Melodien in Terzen oder Sexten auf einem Saitenpaar werden horizontal mit einem Führungsfinger auf einer Saite gespielt.
Wenn beispielsweise eine Terzenmelodie auf dem Saitenpaar ① und ② gespielt wird, führt grundsätzlich der Finger 1 (Führungsfinger) auf der Saite ①. Somit wird die Tonleiter mit einem Finger auf einer Saite horizontal gespielt.
Bei einer Terzenmelodie auf dem Saitenpaar ① und ② führt der Finger 1 auf der Saite ① direkte Lagenwechsel über ein oder zwei Bünde aus. Die Tonleiter wird also horizontal mit einem Finger auf einer Saite gespielt. Aus dieser Erkenntnis heraus empfehle ich, zunächst den Führungsfinger, in der Regel Finger 1, einstimmig zu üben.
Bei Sextenmelodien auf dem Saitenpaar ① und ③ ist Finger 2 der Führungsfinger auf der Saite ③ und spielt die Tonleiter entsprechend horizontal.
Legatotechnik
Die Legatotechnik wird durch Bindebögen zwischen zwei verschiedenen Noten angezeigt, im Gegensatz zum Haltebogen, der zwei gleiche Noten verbindet.
Wenn die angebundene Note höher ist, wird sie als Aufschlagsbindung bezeichnet, wenn sie tiefer ist, als Abzugsbindung. Anschlags- und Abzugsbindungen sind Techniken, die mit der Greifhand ausgeführt werden. Dabei wird der Ton sowohl durch Anschlagen als auch durch Greifen mit den Fingern der Greifhand erzeugt.
Beispiele und Übung
Aufschlagsbindung
Die Aufschlagsbindung erzeugt einen höheren Ton mit einem Aufschlag eines Fingers der Greifhand.
Der Ton c, auf der Saite ② mit Finger 1 gegriffen, wird normal mit einem Finger der Anschlagshand angeschlagen und bleibt liegen. Der Finger 3 der Greifhand schlägt mit einer schwungvollen Bewegung auf die Saite ② auf und erzeugt somit den Ton d.
Abzugsbindung
Die Abzugsbindung erzeugt einen tieferen Ton mit einem Abzug eines Fingers der Greifhand.
Für eine Abzugsbindung wird der Ton c mit Finger 1 und der Ton d mit Finger 3 auf der Saite ② gleichzeitig gegriffen. Der Ton d wird mit der Anschlagshand angeschlagen und dann mit dem Finger der Greifhand abgezogen und erzeugt somit den Ton c, der wie schon erwähnt, gleichzeitig mit dem Ton d gegriffen wurde.
Legato-Übung 2 Melodiephrasen aus Steffibauer-Walzer / C-Teil
*)
*) Bei der Legato-Übung werden die Phrasen zuerst langsam ohne Bindungen im Wechselschlag „ausgespielt“.
Melodiegitarre Lehrbuch 2.0 NEU!
Das Lehrbuch als PDF oder Ringbuch enthält Hörbeispiele zu den Noten/TAB, die als Link (PDF) oder QR-Code (Ringbuch) direkt abrufbar sind.
Es werden grundlegende Gitarrentechniken für das Melodiespiel vermittelt und auf traditionelle Spielstücke angewandt.
Lehrbuch mit Noten und Tabulaturen · 162 Seiten
Einführung in das Lagenspiel
Grundlegende Spieltechniken für Tonleitermelodien, Terzenmelodien, Schüttelmelodien und Akkordmelodien
Melodieakkorde, Legatotechnik, Verzierungen und Artikulation
16 traditionelle Spielstücke, darunter Gitarren-Bayrischer (Tobi Reiser), Boarischer in G und Halbwalzer Partie (Trad. nach Sepp Eibl), An Schindlschneida Seppn seina (Trad. Walzer), Lisei-Polka (Trad. nach Franz Schwab), Gockl, wannst net kraahst (Trad. Zwiefacher) Liedweisen und Landler (Trad. nach Sepp Eibl).
Hörbeispiele und Playalongs zu jedem Stück
Das Lehrbuch ist als PDF-Datei oder als Ringbuch im Online-Noten-Verlag erhältlich.