Michael Bauer

»Daß da aber einer Gitarre spielte…«

Michael Bauer mit Wach-Gitarre

Haben Sie berflich mit Musik zu tun?

Ich bin Volksschullehrer und erteile Musikunterricht im Rahmen unseres Musikvereins. Der Musikverein von Reischach (bei Altötting) wurde von mir gegründet mit der Absicht, eine Blaskapelle ins Leben zu rufen. Nach etlichen Schwierigkeiten ist dies auch gelungen.

Welche Instrumente unterrichten Sie?

Ich unterrichte Gitarre, Akkordeon und Zither; meine Frau Blockflöte, Hackbrett und Querflöte. Die Schüler kommen teils aus dem Kindergarten, teils aus der Grund- und der Hauptschule.

Wie haben Sie das Gitarrespielen gelernt?

Damals in meiner Jugendzeit, es war die Kriegszeit, gab es keine Möglichkeiten, Musikunterricht zu nehmen, schon gar nicht auf dem Lande. Man hatte dafür auch kein Verständnis, dass einer ein Instrument lernte. Für einen Bauernmenschen war das Zeitverschwendung. Es gab höchstens Musikanten, die Trompete oder ein anderes Blasinstrument spielten und bei einer Blaskapelle mitmachten. Dass da aber einer Gitarre spielte... das war fast undenkbar. So hab ich mich halt selber darangemacht. Wenn ich bloß bedenke, wie ich zur ersten Gitarre kam. Es war gleich nach dem Krieg, in der Zeit als der Schwarzmarkt blühte und man kein Geld hatte. Da habe ich mir eine Gitarre für Eier und Butter eingetauscht.

» Da habe ich mir eine Gitarre für Eier und Butter eingetauscht. «

Hatten Sie Vorbilder in der Volksmusik?

Damals hörte ich im Radio Volksmusiksendungen. Mir imponierte vor allem das Holzfurtner-Trio, weil dieses so sauber spielte. Franz Holzfurtner war Musiklehrer in München. Sein Hauptinstrument war die Zither, er unterrichtete aber auch Gitarre und Akkordeon. Ich lernte ihn später persönlich kennen, und es kam zu einer Freundschaft. Das war anfangs der 60er Jahre.
In seinem Haus lernte ich auch Sepp Eibl kennen. Sepp Eibl fing damals an, sich mit der Gitarre zu beschäftigen. Er sammelte alte Gitarren von namhaften Herstellern und soll nicht nur einmal sein Auto verkauft haben, um eine Hauser-Gitarre zu erwerben. Er war einfach ein »Original«. In kürzester Zeit lernte er ausgezeichnet Gitarre spielen. Im Gegensatz zu ihm blieb mein Spiel auf der Gitarre immer etwas laienhaft. Ich hatte auch gar nicht die Zeit, mich mit der Gitarre intensiver zu beschäftigen. Später lernte ich an Volksmusikkursen und Lehrgängen die Haltung und Grundtechniken der Gitarre kennen.
Durch die Volksmusikpflege entstand nach dem Krieg die »Tanzlmusi« oder die sogenannte »Stubenmusi«. Auch das Hackbrett wurde erst in dieser Zeit entwickelt. So haben sich neue Spielarten auch für die Gitarre ergeben. Eine besondere Spielart ist die von den Schönauer Musikanten. Da es immer die gleiche Art der Gitarrenbegleitungen ist – sozusagen eine »Masche« – mag ich sie nicht. Die Schönauer Musikanten wurden vom Rundfunk und von gewissen Leuten so aufgebaut, als ob sie die einzigen wären, die richtige bairische Volksmusik machen könnten.

Spielen Sie auf der Gitarre Begleitung oder Melodie?

Durch die Freundschaft mit Franz Holzfurtner musizierten wir auch zusammen. Ich übernahm vorwiegend die Begleitung. Da er ein sehr kritisches 0hr hatte, lernte ich die feinen Unterschiede in der Volksmusik kennen. Bei ihm lernte ich auch kleine klassische Stücke und habe dann selber die Carcassi-Schule durchgearbeitet.

» Da er ein sehr kritisches 0hr hatte, lernte ich die feinen Unterschiede in der Volksmusik kennen. «

In welcher Besetzung haben Sie später musiziert?

Neben meiner beruflichen Tätigkeit betreute ich in Reischach jahrelang eine Musiziergruppe, bestehend aus Hackbrett, Zither und zwei Gitarren. Die eine Gitarre spielte die Begleitung, die andere eine Nebenstimme. Von dieser Gruppe wurden auch Rundfunkaufnahmen gemacht.
Aus einem Heft von einem Mühldorfer Heimatpfleger und Volksmusikanten spielten wir Stücke mit Zither und zwei Gitarren. Meine Tochter spielte Melodiegitarre und ich die Begleitgitarre.

Die Begleitung wird von Spieler zu Spieler anders gespielt. Zum Beispiel die Nachschläge im Walzer: der eine spielt den 1. Nachschlag kurz und den 2. Nachschlag lang, der andere beide Nachschläge kurz. Wie spielen Sie die Begleitung?

Beim Begleiten spiele ich die Nachschläge kurz. Das liegt daran, dass es früher keine Volksmusik für Gitarre gab, sondern Blasmusik oder Geigenmusik. In der Blasmusik spielt die Tuba den Bass und zwei oder drei Instrumente kurze Nachschläge. Auch in der Geigenmusik werden die Nachschläge sehr kurz gestrichen. Ich habe nach dem Krieg gerade noch erlebt, wie die dörflichen Blaskapellen wieder »zum Tanz aufgespielt haben«. Dies ging dann sehr schnell zu Ende, als die amerikanische Musik eindrang. Aber ich habe noch die Spielweise der Blaskapellen kennengelernt. Diese Spielweise habe ich dann auf die Gitarre übertragen.

» Die Spielweise der Blaskapellen habe ich dann auf die Gitarre übertragen. «

Im Vorwort Ihres Notenheftes »Baierische Tanzstücke« steht: »In der Praxis bestehen manchmal Unterschiede zwischen dem Spiel des Volksmusikers und dem Spiel des klassischen Gitarristen. Der Volksmusiker hat mitunter seine eigene Griffweise, die durch die Eigenart der Volksmusik bedingt ist.« Könnten Sie dies genauer erläutern?

Die Haltung der Klassischen Gitarre ist auch für das Musizieren in der Volksmusik das Richtige. Bei der klassischen Gitarre wird grundsätzlich möglichst legato gespielt, während man bei der Volksmusik »scharf« und »schneidig«, mehr staccato spielen sollte. Es gibt natürlich auch Ausnahmen, zum Beispiel bei feierlichen Stücken. Wollte ein »Klassiker« der Gitarre bairische Volksmusik machen, so würde sich das eigenartig anhören, da er den Stil verfehlen würde.

Warum haben Sie in Ihren Notenheften keine Tempoangaben gemacht?

Es ist ein altes Prinzip beim Volkstanz, dass die Tänzer sich nicht nach der Musik richten, sondern die Musik nach den Tänzern. Viele »Tanzlmusi-Gruppen« spielen ihre Stücke »runter« wie sie es geübt haben, immer besser und immer schneller. Der Tänzer plagt sich dann fürchterlich bei diesem überzogenen Tempo. Früher war alles etwas gemütlicher, die Musikanten spielten so, dass es für die Tänzer leicht zu tanzen war und es natürlich auch Spaß macht. In der Blasmusik wird ganz bewusst unterschieden, ob beispielsweise ein Marsch zum Marschieren gespielt wird oder in einem Saal zur Eröffnung einer Feierlichkeit. Zum Zuhören wird er meist etwas schneller gespielt. So ist es bei Tanzmusikstücken auch.

» … dass die Tänzer sich nicht nach der Musik richten, sondern die Musik nach den Tänzern. «

» Zum Zuhören wird er meist etwas schneller gespielt. «

Ist die Fingersatzangabe zu den Noten wichtig?

Den Fingersatz habe ich aus pädagogischen Gründen angegeben. In weiteren Heften würde ich allmählich die Fingersatzangaben weglassen.

Verwenden Sie ein Vibrato im Melodiespiel?

Verzierungen verwende ich außer Pralltriller und kurzem Vorschlag keine.

Könnten Sie auf der Gitarre ein Beispiel einer Walzer- und Polka-Begleitung spielen?

Beschreibung:
Walzer (3/4 Takt): Der Bass wird mit dem Daumen angelegt gespielt, ohne Nagel, und vor der 2. Zählzeit durch eine erneute Bewegung gedämpft. Die beiden Nachschläge werden kurz gespielt. Die Finger dämpfen, indem sie auf die angeschlagene Saite aufsetzen.
Polka (2/4 Takt): Der Bass wird kurz gespielt, der Daumen spielt angelegt und dämpft gleich nach dem Anschlag mit der Daumenkante. Die Nachschläge werden kurz gespielt, wie beim Walzer. Die linke Hand unterstützt das Dämpfen der Nachschläge durch leichtes Abheben der Greiffinger, ohne die Saite zu verlassen. Die Akkorde werden in der Grundform gegriffen, also auch Saiten die nicht angeschlagen werden.

Welche Bassläufe spielen Sie an welcher Stelle?

Mit Bassläufen gehe ich lieber sparsam um. Ich beschränke mich auf einfache Figuren in Dreiklangsform oder auf einen kleinen »Gang«, wenn Melodiephrasen abschließen.

Wie haben Sie die Begleitungen in Ihren Heften entwickelt, bevor Sie sie aufgeschrieben haben?

In meinen beiden Heften (Baierische Tanzstücke) für das Gitarrentrio, ist die Begleitung ausgeschrieben, zum Teil in der Notenschrift und zum Teil mit Akkordsymbolen. Ich habe mir die Melodien vorgesungen, die Begleitung auf der Gitarre ausprobiert und dann aufgeschrieben.

Gibt es eine Besetzung, die Sie bevorzugen?

Die Besetzung: Zither und zwei Gitarren gefällt mir besonders gut, weil dies durchsichtig und klar ist und gut zusammen klingt. Die Gitarre als »Zweite Stimme« zur Zither fasziniert mich in besonderer Weise.

Spielen Sie die Instrumentalstücke auch dreistimmig?

Ursprünglich war die bairische Volksmusik zweistimmig, die Dreistimmigkeit kam erst später. Eine »Dritte Stimme« spielte man als »Nebenstimme«, «Gegenstimme« oder »Füllstimme«. In der Blasmusik wurde sie vom Tenorhorn übernommen und inder »Stubenmusi« von der Harfe.

» Eine »Dritte Stimme« spielte man als »Nebenstimme«, «Gegenstimme« oder »Füllstimme«. «

Kann man die Art und Weise des Musizierens in der Volksmusik lernen?

Ich bin überzeugt davon, dass die Musizierarten der Volksmusik erlernbar sind. Es braucht aber sehr viel Zeit dazu. Es reicht nicht, die Musik von den Noten zu spielen, man muss auch die Mentalität der Menschen in der Gegend begreifen lernen. Es wird schon seine Zeit dauern, bis man es richtig raus hat. Das meiste ist Übung, Mitmachen, genau Hinhören, und so bin ich überzeugt dass man es lernen kann. »Ob es ein Preuß lernen kann… das weiß ich nicht?«
(Lacht!)

Besitzen Sie alte Instrumente?

Ich besitze ein seltenes Instrument, eine sogenannte Wach-Gitarre. Wach ist der Name des Gitarrenbauers. Es ist eine Art Kontragitarre, die ich damals von Franz Holzfurtner bekam. (Foto)

Interview: René Senn
Das Gespräch wurde am 06.08.1992 in Reischach aufgenommen.
(Archiv: R. Senn) (Foto: R. Senn)