Wolfi Scheck (1943-1996)

Volksmusikpfleger des Bezirks Oberbayern (1981-1996)

»Wir haben uns viel vom Radio abgehört.«

Könnten sie etwas zu Ihrer Person sagen und wie Sie das Musizieren auf der Gitarre gelernt haben?

Ich bin 1943, hier in der Nähe, in Uffing geboren und stamme aus einer Familie, in der das Musizieren und Singen schon immer der Brauch war. Unsere Familie war für das Musikalische im Ort zuständig.
Mein erstes Instrument, die Zither, lernte ich im Alter von acht Jahren. Interessanterweise habe ich das bei einer Zitherlehrerin gelernt die taub war. Sie hat die Hand auf die Decke der Zither gelegt, oder sich an das Fenster gestellt und die Hand auf die Fensterscheibe gehalten und so durch den Tastsinn die Töne wahrgenommen. Es war auch für mich eine sehr mühsame Angelegenheit, hat aber einigermaßen zum Erfolg geführt.
Im Alter von zehn Jahren meinte mein Vater: Du kennst jetzt die Anfangsgründe auf der Zither, nun probiere mal das Gitarrenspiel. Dies war die einzige Anleitung, außer, dass er mir sagte wie die sechs Saiten hießen. So habe ich auf eigene Faust versucht, das Gitarrenspiel zu lernen, so wie alle meine Vorfahren das Musizieren selbst gelernt hatten.
Mein Vater hat das Gitarrenspiel, zu seiner Zeit (1933), als Soldat gelernt. Er hatte einen Kameraden, der Gitarre spielen konnte. Dieser hat dann jeweils für eine Schachtel Zigarette einen neuen Akkordgriff verraten.

» … für eine Schachtel Zigarette einen neuen Akkordgriff verraten. «

Ich hab mich dann als Begleiter versucht. Gitarrenbegleiter waren damals immer begehrt, und trotz der Häufigkeit des Instrumentes eher rar. Wir haben uns viel vom Radio abgehört. Früher war die Ablenkung nicht so groß, man hatte Zeit, jede Volksmusiksendung zu hören und versuchte dann, das Gehörte nachzuspielen.
Nach dem Abitur nahm ich ein Lehrerstudium auf und nützte die Gelegenheit, sechs Semester bei Simon Schneider Unterricht zu nehmen. Er hat mir viele selbstgemachte Unarten ausgetrieben und mich in das Melodiespiel der Klassischen Gitarre geführt. Er legte auch viel Wert auf die Fähigkeit, begleiten zu können.
Nebenbei kam viel Praxis dazu, durch lernen von anderen Instrumenten, Chorsingen, Orchesterspielen und dergleichen. Es gab auch Musiktheorie während des Studiums.
Nach dem Studium war ich fünfzehn Jahre als Lehrer an einer Hauptschule tätig und musizierte viel mit den Schülern. Gelegentlich publizierte ich Volksmusikstücke für die Schule und unterrichtete meine Schüler natürlich auch in Gitarre. Ich arbeitete mit verschiedenen Gitarrenschulen und war eigentlich mit keiner recht zufrieden, denn die Schüler erwarteten, Gitarrenbegleitung zu lernen. Sie gingen in den Musikunterricht zur Musikschule und erhofften sich das Begleiten zu lernen, und kamen dann mit Carcassi (Gitarrenkomponist der Klassik) und ähnlichem heraus. Nach zwei Jahren hörten sie dann auf, weil sie nicht lernen konnten, was sie eigentlich wollten. Deshalb beschäftigte ich mich eingehender mit Begleittechniken der Gitarre.

» Nach zwei Jahren hörten sie dann auf, weil sie nicht lernen konnten, was sie eigentlich wollten. «

Vor zwölf Jahren gab es die Möglichkeit, als Volksmusikpfleger zum Bezirk Oberbayern zu wechseln. Das bis dahin ausgeübte Hobby konnte ich so zu meinem Beruf machen. So bin ich zuständig für die Pflege von instrumentaler Volksmusik, Volkslied, Volkstanz und auch zu angrenzenden Bereichen. Ich übe dies so aus, dass ich Hilfe anbiete, soweit ich sie leisten kann, und darauf warte, dass sich jemand helfen und beraten lässt. Ich möchte also nicht jemanden etwas aufzwingen, sondern, wer wissen will, wer erfahren oder hören will, wie etwas geht, der kriegt umfassende Auskunft. Sonst halte ich es eher mit der dezenten Art, sich zurückzuhalten.

Welche Instrumente spielen Sie noch?

Ich spiele nicht nur Gitarre, sondern auch Zither, die mir am nächsten liegt, Kontrabass, Harfe, Flöte, Klarinette, Klavier und Orgel. Diese Instrumente lernte ich mehr oder weniger gründlich. Zumindest so, dass ich sachkundig dafür schreiben kann, dass ich weiß, wie man mit dem Instrument umgeht, was es liefern kann, in welcher Lage es wie klingt und dergleichen.

Wie und wo musizieren Sie heute? Haben Sie überhaupt noch viel Zeit zum Musizieren neben Ihrer Tätigkeit als Volksmusikpfleger?

Durch Herkunft, aber auch durch meine Aufgabe geprägt, sehe ich den Platz zum Musizieren im Freundeskreis, im Wirtshaus, in der Familie, bevorzugt im kleineren Kreis. Die Volksmusikveranstaltungen mit tausend Besuchern halte ich für einen Ausweg, den man heute häufig geht. Als Weg, könnte es bei vielen Leuten ein Interesse wecken, der auch zum kleineren Kreis führen kann.
Ich selbst musizierte zunächst in der Familie mit Vater, Bruder und Schwestern. Später ist der Kreis erweitert worden durch Freunde, hat sich dann auch von der Familie abgelöst und im Freundeskreis durch Tanzmusik und Blasmusik erweitert.
Die Spielanlässe waren im Dorf, einmal durch den Trachtenverein, dann kirchliche Anlässe, die im Laufe der Zeit mehr Gewicht bekamen. Volksmusik in der Kirche ist kaum überliefert, in den letzten zwanzig Jahren wuchs sie aber zu einem wichtigen Gebiet heran.

Wir haben in verschiedenen Zusammensetzungen musiziert:
· zwei Zithern und Gitarre
· Hackbrett, Zither und Gitarre
· Geige, Zither und Gitarre
· zwei Zithern, Hackbrett und Gitarre
· Zither, Harfe und Gitarre
· zwei Geigen, Flöte, Gitarre und Kontrabass
· verschiedene Holzbläser-Kombinationen
· verschiedene Blechbläserr-Kombinationen.

Später dann, musizierten wir nach dem Vorbild von Tobi Reiser: Hackbrett, Zither, Harfe, Gitarre und Kontrabass. Oft und lange spielten wir in der Besetzung: Hackbrett, zwei Zithern und Gitarre.

» Später dann, musizierten wir nach dem Vorbild von Tobi Reiser. «

Zum Schluss passierte das, was sie schon angedeutet haben. Je mehr man sozusagen der "Mann für die offiziellen Anlässe" wird, umso mehr bleibt das eigene Musizieren auf der Strecke. Was übrig blieb ist das Musizieren als Zitherbegleiter für Sängergruppen, was eine interessante Aufgabe ist, weil sie ganz von der Improvisation lebt, und das Musizieren mit einer Geigenmusik: drei Geigen, Gitarre und Kontrabass, den ich spiele.

Sie haben Tobi Reiser als Vorbild erwähnt, gab es auch andere?

Die Vorbilder hingen damit zusammen, was man zu der Zeit überhaupt erfahren konnte. Der erste Kontakt, über das Familienmusizieren hinaus war 1955, in meinem Heimatort Uffing, die Ottobrunner Musikanten. Die Ottobrunner Musikanten hatten die Besetzung: Zither, Hackbrett und Kontragitarre und waren die ersten, die in Bayern ein Hackbrett spielten. Als kleiner Bub hat mich die Art des Zusammenspiels fasziniert. Das Hackbrett klang ganz anders als die Instrumente, die in unserem Umkreis zu finden waren. Dies hat mich schon entscheidend beeinflusst.
Dann hörte man im Rundfunk: Tobi Reiser, Hans Kammerer, dann um 1960 die Schönauer Musikanten. Dies waren Vorbilder, denen man zunächst kritiklos nachgelaufen ist. Wir haben diese Musik am Anfang wirklich sklavisch kopiert und waren stolz, wenn es so ähnlich geklungen hat. Noten gab es kaum, so spielte man weitgehend nach Gehör.

» Noten gab es kaum, so spielte man weitgehend nach Gehör. «

Dem Tobi Reiser hingen wir lange an. Vor allem, weil er von Zeit zu Zeit immer wieder interessante Neuigkeiten gebracht hatte: Volksmusikstücke mit Geigen, mit Flöten, und einem Harfenspiel, so wie wir es noch nicht kannten. Auch auf dem Feld der kleinbesetzten Blasmusik hat er als Vorbild gewirkt. Dies mussten wir natürlich auch alles ausprobieren.
Später gab es auch Vorbilder aus der Nähe, die Deinhauser Musikanten aus der Holledau, oder in Garmisch verschiedene Gruppen und Sänger. Es entwickelte sich auch ein Zentrum im Raum Starnberg-Weilheim. Dann gab es den Kontakt zum Fanderl Wastel im Chiemgau, woraus sich verschiedene Verbindungen ergaben. Eigentlich hat man alles nachgeahmt, was interessant und attraktiv war.
Erst im Alter von etwa fünfundzwanzig Jahren versuchte ich mich auf eigene Füße zu stellen und suchte meinen eigenen Weg. Daraus entwickelte sich das, was im Wesentlichen in der Sänger- und Musikantenzeltung zu finden ist. Die Musikredaktion dieser Zeitschrift habe ich schon seit fünfzehn Jahren in der Hand und seit etwa acht Jahren die Leitung.

Gibt es von Ihnen Tonaufzeichnungen auf Schallplatten?

Es gibt eine Reihe von Platten und Kassetten bei denen ich mitwirkte, als Begleiter oder einfach wozu man mich brauchte. Bei einer Weihnachtsplatte führte ich Regie. Weiter spielte ich auf über dreissig Aufnahmen vom Bayerischen Rundfunk mit, und habe bei etwa zwanzig Fernsehsendungen mitgemacht, die Wastel Fanderl veranstaltete.

Wenn ich etwas typisches von Ihnen hören mochte, was empfehlen Sie?

Das wäre diese Weihnachtsplatte, die auch meine Handschrift insgesamt trägt. Es sind Lieder und Musik in verschiedenen Besetzungen, wo ich als Zitherspieler, als Gitarrist und als Bassist mitwirkte und nahezu fast alle Sätze schrieb.

Fühlen Sie sich als Gitarrenspieler eher als Begleiter oder als Melodiespieler?

Ich fühle mich zunächst als Begleiter, der gelegentlich auch die Ambitionen hat, sich dem Melodiespiel zuzuwenden. Als Melodiespieler habe ich mich nicht sehr hervorgetan. Im Freundeskreis haben wir natürlich vieles ausprobiert, auch in Kombinationen mit allen möglichen Instrumenten, aber es gibt Leute die es besser können und auch einen schöneren Ton haben.

Spielen Sie auch Volksmusik auf der Gitarre solo?

Dies kommt mir schwierig vor. Es wird sicher in manchen Fällen gut möglich sein, aber im Grunde genommen ist Volksmusik immer Melodie, oft zweistimmige Melodie, plus eine durchgehende Begleitung. Beides zusammen auf einer Gitarre zu spielen scheint mir technisch sehr schwierig oder unmöglich.

Gibt es für das Zusammenspiel, zwischen Melodie- und Begleitspieler, grundsätzliche Verhaltensweisen?

Das Tempo und die rhythmische Ausformung gehen vom Begleiter aus. Der Melodiespieler schiebt dem Begleiter oft die eine und andere Aufgabe zu, nämlich dort wo es leicht geht, neben der Begleitung her, eine dritte Stimme zu spielen.
Nach meiner Erfahrung wird weniger geredet, sondern es ändert oder richtet sich ein, indem man es öfters miteinander probiert, so lang, bis man zufrieden ist.

Sind die angewandten Gitarrentechniken in der Volksmusik anders als in der Klassik?

Der Unterschied ist vor allem beim Begleiten zu finden. Im Melodiespiel gibt es gelegentlich grifftechnische Besonderheiten. Es sind dies Griffweisen die man in der Klassik eher vermeidet.
Das Wesentliche beim Begleiten ist wohl der Anschlag der rechten Hand. Bei der Polkabegleitung das typische Abstoppen vom Bass, und im 3/4 Takt der kurzgespielte Nachschlag auf der leicht vorgezogenen 2. Zählzeit. Ich habe schon öfters darüber nachgedacht, ob man mit der Volksmusik-Begleittechnik Klassik-Gitarristen verbildet. Wichtige Leute bestätigten mir aber wenn man die Techniken kennt, kann man sowohl das eine wie das andere praktizieren.

» Bei der Polkabegleitung das typische Abstoppen vom Bass… «

» … im 3/4 Takt der kurzgespielte Nachschlag auf der leicht vorgezogenen 2. Zählzeit. «

Spielen Sie mit dem Nagel- oder Kuppenanschlag?

Ich spiele mit den Nägel und empfehle es auch denen, die mich um Rat fragen. Die Begleitung braucht einen möglichst scharfen Akkord (Nachschlag), der dem Bass gleichwertig ist. Auch wenn aufgelöste Akkorde gespielt werden und dergleichen, ergibt der Nagelanschlag einen pragnannten Ton, während der Kuppenanschlag sehr viel feiner und leiser ist.

Darf in der Volksmusik ein Vibrato gespielt werden?

In der Praxis wird es nicht gemacht. Dies hängt damit zusammen, dass viele Melodien im Bereich der Tanzmusik zu Hause sind. Das erste Gebot ist, gleichmäßiges Tempo, straffer und zuverlässiger Rhythmus, und da passt das Vibrato und andere expressive Spielweisen nicht hinein.

Ist der Fingersatz wichtig?

Ich finde Hilfen gut. Noch besser sind Hilfen, die dem Musikanten sozusagen einen Weg vorgeben, ohne jeden einzelnen Schritt festzulegen. Das ist für den Begleiter zum Beispiel, das Kennenlernen von Grifftypen die in andere Lagen übertragbar sind.
Bei Solostücken würde ich den Fingersatz dort angeben, wo man zwischen guten und deutlich schlechteren Möglichkeiten zu wählen hat.
Im Melodiespiel ist der Fingersatz für die Art der Interpretation wesentlich.
Im übrigen bin ich soviel Volksmusikant, dass ich meine: Jeder soll sich, diese Hilfen ausgenommen, seinen eigenen Weg suchen. Dies erlaubt zum Schluss dann doch Individualität und vermeidet Gleichförmigkeit.

» Im Melodiespiel ist der Fingersatz für die Art der Interpretation wesentlich. «

Als Pädagoge denke ich, dass vor der Vielfalt die Eindeutigkeit den Weg weisen soll. Also, dass für den Schüler ein Problem zu lösen, der Weg eindeutig geklärt werden sollte.

Ich habe in erster Line als jemand gesprochen, der publiziert. Im Gitarrenunterricht würde ich den Schüler gern suchen lassen, ist das Ergebnis nicht befriedigend, so biete ich ihm weitere Möglichkeiten an. Wenn es überzeugend ist, so wird er es sofort übernehmen. Wenn nicht, dann ist vielleicht sein Weg nicht so schlecht, oder es fehlt ihm an der nötigen Einstellung. Darauf muss ich als Pädagoge auch Rücksicht nehmen. Ich kann nur anbieten, was der Schüler auch verdauen kann.

Warum fehlen bei Ihnen, wie auch bei andern Notenpublikationen der Volksmusik, die Fingersätze für die rechte Hand?

Die Anweisungen zur rechten Hand sind so selten, weil sie doch schwerer verständlich sind, was vielleicht auch mit den spanischen Abkürzungen (p i m a) zu tun hat. Fingersätze für die linke Hand (1 2 3 4) und Lagenbezeichnungen sind eigentlich klar.

Gibt es Verzierungen die Sie im Melodiespiel nicht verwenden würden?

Ich verwende im Bereich der Volksmusik nie ein Mordent. Der Pralltriller ist die häufigste Verzierung.

» Der Pralltriller ist die häufigste Verzierung. «

Gibt es eine bestimmte Methode wie Sie die Gitarre stimmen?

Wir sind eigentlich immer auf folgendes Resultat gekommen: Es gibt nicht "die" Methode, sondern eine Reihe von Methoden zum Stimmen der Gitarre. Man muss sozusagen einen Kompromiss finden. Das hängt damit zusammen, dass es kaum ein Instrument gibt, das wirklich stimmt. Das kann am Instrument selbst liegen (Bundreinheit), oder auch an den Saiten. Wir versuchen dann Möglichkeiten zu finden, wie man dies am Besten ausgleicht. Das beginnt mit dem ganz einfachen Stimmen am 5. und 4. Bund (gleiche Töne), mit dem Vergleich von Flageolettönen, oder auch die Orientierung an einem höhergelegenen Bund im Vergleich zur Leersaite (Oktave).
Wenn es schnell gehen soll, so versuche ich mit dem D-Moll Akkord, ausgehend von der A-Saite zu stimmen, was vielleicht auch mit meinem Instrument zusammenhängt

Gibt es Kriterien für die Bauweise einer Gitarre, die man in der Volksmusik verwenden soll?

Es passiert relativ oft, dass ich beim Kauf einer Gitarre um Rat gebeten werde. Für das Begleitspiel empfehle ich ein Instrument das einen starken und trockenen Bass hat. Die drei höheren Saiten dürfen so eingestellt sein, dass sie bei stärkerem Anschlag auf die Bünde aufschlagen. Bestimmte Marken will ich nicht empfehlen.
Sepp Hornsteiner hat sich verschiedene historische Modelle nachbauen lassen und meinte, dass wenn er Volksmusikstücke spielt, mit einer relativ kleinen und flachen Gitarre sehr gute Ergebnisse erzielen kann.

Und was meinen Sie zum Verwenden von Kontragitarren?

Es gibt für die Kontragitarre ganz bestimmte Einsatzgebiete. Zum Beispiel passt die Kontragitarre gut zum Zithertrio, oder Sepp Winkler verwendet sie auch zum Akkordeon.
Der Ursprung der Kontragitarre liegt sicher in der "Schrammelmusik ". Ich hatte auch mal eine alte Kontragitarre besessen, die von Raab gebaut war und leider bei einem Autounfall zu Bruche ging.

Was sagen Sie einem Schüler, der das Begleiten lernen will?

Das Begleiten ist in unserer Volksmusik ein ganz wesentliches Element. Wenn man in die Überlieferungen schaut, so stellt man fest, dass zum Beispiel in einem Fund einer Geigenmusikbesetzung aus Steingaden, drei Instrumente die Melodie und acht die Begleitung spielen. Das zeigt uns, wie wichtig die Begleitung genommen wurde.
Die Begleitung ist auch deshalb wichtig, weil es sich in der instrumentalen Volksmusik vorwiegend um Tanzmusik handelt. Der Tänzer ist sehr viel mehr auf den Rhythmus, auf den Bass, auf die Schwerpunkte angewiesen, als auf die Melodie. Dasselbe gilt auch für die modernen Unterhaltungsmusik.
Das "Begleiten" hört sich so nach einer Nebensache an. Wenn man zum Beispiel den Vergleich zieht, mit dem "Begleiten" auf einem Spaziergang, so ist der Begleiter vielleicht derjenige, der den Weg kennt, der auf die Schönheiten am Weg hinweist, der vielleicht auch einmal stütz, die Initiative ergreift, rechtzeitig den Rückweg antritt, also einer der schon umfassende Fürsorge leistet und den Überblick nicht verliert.

Ich teile die Elemente einer Begleitung in Grundschlag und Nachschlag auf. Wie spielen Sie diese Elemente in Ihrer Begleitung?

Da es also im wesentlichen Tanzmusik ist, versuche ich es von der Körperbewegung her aufzubauen. Im geraden Zweier- und Vierertakt ist es eine relativ gleichmäßige Bewegung, wobei meistens die rechte Körperseite dominiert, so dass es eine Schwerpunktbildung im Zweierabstand gibt.
Im Dreiertakt gibt es keine einfache Bewegungsform die dazu passt, also nehme ich den Tanz als Vorlage. Der Tanz ist ein Dreierschritt mit Betonung und Beginn auf rechts und dann mit Betonung auf links. Somit ergibt sich sozusagen ein Sechsertakt mit einer stärkeren Betonung auf der 1. und einer etwas schwächeren auf 4. Zählzeit. Dazwischen, auf der 2. und 3. Zählzeit, gibt es auch durch die Körperbewegung verschiedene Gewichtungen. Man muss es körperlich erfahren und ausprobieren, dann wirkt es auf den Umgang mit dem Instrument zurück.

Wie spielen Sie den Bass beim Begleiten?

Ich spiele den Bass mit dem Daumen angelegt, somit wird er sehr energisch. Weil es gut dosierbar ist, dämpfe ich mit der Daumenkante und nicht mit dem Handballen.

Wann dämpfen Sie den Bass im 3/4 Takt?

Ich dämpfe den Bass genau dann, wenn die 2. Zählzeit angeschlagen wird.

Spielen Sie den 1. und 2. Nachschlag gleich oder anders?

Im Dreiertakt spiele ich den 1. Nachschlag möglichst kurz und auch gegenüber dem Metronom eine Spur zu früh.
Das Vorbild, das für uns am besten greifbar ist, ist der "Wiener Walzer". Den zweiten Geigern der Wiener Philharmonikern, kann man es handgreiflich absehen.

Ist es nicht so, dass im "Wiener Walzer " beide Nachschläge kurz gespielt werden?

Das stimmt. Wahrscheinlich durch die Gitarrentechnik bedingt, es kann auch überliefert sein, spielt man den 2. Nachschlag lang.

Nimmt man die Spielweise einer Blaskapelle als Beispiel, so müsste man im 3/4 Takt beide Nachschläge kurz spielen.

Das stimmt nicht. Man unterscheidet unter Volksmusikanten gute und schlechte Blaskapellen. Die guten sind die, die gute Begleiter haben, Melodiespieler müssen von Haus aus gut sein. Hier spielt genau dieses Problem eine Rolle. Wie auch wenn Geiger Nachschläge spielen, ist es ganz klar dass der 2. Nachschlag auf der 3. Zählzeit länger ist.

» Die guten sind die, die gute Begleiter haben, Melodiespieler müssen von Haus aus gut sein. «

Spielen Sie bei einer Polkabegleitung die Bässe kurz?

Es gibt zwei Musiklandschaften im südlichen Oberbayern die sich wesentlich unterscheiden. Die eine spielt den 1. Bass von vier Zählzeiten kurz und den zweiten lang, die andere Musiklandschaft spielt es genau umgekehrt, den ersten kurz und den zweiten lang.
Es gibt auch die Eigenart, dass beide Bässe kurz gespielt werden, das läuft dann unter dem Begriff: martialisch (marschmäßig).

Sie haben über "Die Gitarrenbegleitung in der Bairischen Volksmusik ", Begleitmaterial zu einem Lehrgang zusammengestellt. Ist das eine Schule?

Nein. Ich habe dieses Begleitmaterial für Teilnehmer an einem Kurs für Gitarrenbegleitung an der Volkshochschule zusammengestellt. Es wurde viel gezeigt und besprochen, was nicht in dem Heft drinsteht.

Sie geben in den Griffbildern die Punkte an, auf welcher Saite, in welchem Bund Sie greifen. Demnach würden Sie den C-Dur-Akkord ohne den 2. Finger der linken Hand greifen. Ist das auch im praktischen Spiel so?

Nein. Ich greife im Begleitspiel den 2. Finger immer mit. Dies würde ich auch in einer Neuauflage dieses Begleitmaterials ändern.

Spielen Sie die Bassläufe ausschließlich mit dem Daumenanschlag (p) oder auch im Wechselschlag: Daumen – Zeigefinger (p i)?

Grundsätzlich rate ich von allzu bewegten Bassläufen ab. Bassläufe spiele ich ausschließlich mit dem Daumenanschlag, damit Klangfarbe, Lautstärke und Energie erhalten bleibt.

Was verstehen Sie unter Binnenrhythmus?

Der Grobrhythmus stimmt mit dem Taktgerüst oder Takteinteilung überein und der Binnenrhythmus enthält die rhythmischen Vorgänge innerhalb zweier Taktstriche.
Die Takteinteilung bei tänzerischer Musik, für die ein gleichmäßiges Tempo vorgeschrieben ist, sind die Takte gleich. Der Unterschied spielt sich innerhalb der Takte, in den Takteilen ab.

Das Notieren einer Begleitung wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Abgesehen von Notationsarten mit Buchstaben, sollte nicht eine zweistimmige Form gewählt werden, die Bass und Nachschläge trennt?

Das halte ich für vernünftig, weil es auch für den Spieler im Kopf zweierlei Dinge sind. Zu den Noten habe ich versucht die musikalischen Vorgänge auch graphisch darzustellen, weil dies viele Leute über das Auge leichter aufnehmen können, was ihnen über das Ohr nicht auf Anhieb gelingt.
Ich habe ganz bewusst Notenbeispiele weggelassen, damit der Teilnehmer lernt sich auf das Gehör zu verlassen.

Bei verschiedenen Begleitspielern habe ich gehört, dass sie auch Bassläufe vom ersten zum zweiten Teil spielen und somit zwei verschiedene Tonarten verbinden. Wieso fehlen solche Bassläufe in Ihrem Heft?

Das war zu der Zeit als ich dieses Heft schrieb, große Mode. Man hat nirgends mehr ein Stück gehört, indem nicht zwischen zwei Teilen in verschiedenen Tonarten ein solch verbindender Basslauf gespielt wurde. Dem wollte ich etwas entgegensteuern.

Könnten Sie auf der Gitarre ein Beispiel einer Walzer- und einer Polkabegleitung spielen?

Beschreibung:
Walzer (3/4 Takt): Der Bass wird mit dem Daumen angelegt angeschlagen und mit dem 1. Nachschlag, der kurz gespielt wird, zusammen gedämpft. Der Bass wird mit dem Daumenballen gedämpft und der Nachschlag mit den Fingern (a m i) entsprechend der vorher angeschlagenen Saiten. Der 2. Nachschlag wird lang gespielt und klingt bis zum nächsten Bass.

Polka (2/4 Takt): Der kurzgespielte Bass wird mit dem Daumen angelegt angeschlagen und gleich nach dem Anschlag mit der Daumenkante gedämpft. Die Nachschläge werden kurz gespielt und mit den Fingern gedämpft. Die linke Hand unterstützt das Dämpfen durch das Abheben der Finger vom Griffbrett, ohne dass die Finger die Saiten verlassen.

Gibt es Hinweise wie man früher, im 19. Jahrhundert, begleitet hat?

Aus dem Jahr 1880 habe ich eine Notenhandschrift, in der eine Gitarrenbegleitung komplett aufgeschrieben steht. Die Begleitung ist sehr stark auf die Melodie bezogen. Das heißt, man hat versucht, dort etwas zu tun wo die Melodie sozusagen stillsteht. Man hat kaum Weschselbässe gespielt und auch sehr viel seltener als heute Bassläufe benutzt.

Womit ich nicht so viel anfangen kann ist mit der Gitarrenbegleitung in "Bauernmusi ".

Ich habe eher den Eindruck, dass diese Gitarrenbegleitung am Klavier gemacht wurde. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die beiden Herausgeber Zoder und Preiß überhaupt Gitarre spielen konnten.

In den "Münchner Musikblätter ", herausgegeben von Sepp Eibl, war ein Abdruck der Oberlandler-Tänze von Herzog Max in Bayern (1808-1888). Die Gitarrenbegleitung steht in einer für die Volksmusik atypischen Art. Kann man davon ausgehen, dass zu der Zeit in der Volksmusik die Gitarre so begleitet hat?

Wenn man sich an den Quellen orientiert, dann muss man natürlich sagen, zu Zeiten des Herzog Max scheint das üblich gewesen zu sein. Wobei der Herzog Max kein typischer Volksmusikant war, sondern ein Adeliger, der seine verschiedenen Freundinnen Klavierkompositionen widmete, die nachträglich für Zither, Violine und Gitarre übertragen worden sind. So gesehen ist Vorsicht geboten, daraus Schlüsse zu ziehen. Diese vielen Kompositionen von Herzog Max haben einen großen Einfluss auf die Volksmusik gehabt.

Wieso gibt es in der "Sänger- und Musikantenzeitung " zu den Noten oder Beiträgen keine Plattenhinweise (Discographie)?

Vom pädagogischen Standpunkt aus, wäre dies wohl sehr vernünftig. Zu meiner Aufgabe als Volksmusikpfleger ist es gefährlich, weil es eine Uniformierung bewirkt. Diese Uniformierung, auch wenn sie dem bestmöglichen Beispiel folgt, wollen wir nicht. Was wir wollen ist das Erhalten der Vielfalt. Vielfalt entsteht dort wo wir nicht so genaue Informationen geben, und sich der einzelne um seinen Weg bemühen muss. Wenn ich schreibe "der" spielt dieses Stück "da", dann produzier ich damit automatisch, dass junge Gitarristen versuchen, den Betreffenden bis auf das Letzte zu kopieren.

In welche Gegenden oder Landschaften unterteilen Sie die Volksmusik?

Wir bezeichnen das als Regionen, in denen ein bestimmter musikalischer Dialekt gebraucht wird. In neuerer Zeit ist dies etwas schwammig geworden, weil die Medien manche Vermischungen bringen, was man nicht nur negativ beurteilen muss. Oberbayern lässt sich etwa in 15 verschieden Regionen aufteilen, in denen unterschiedliche Dialekte zu Hause sind.
Im südlichen Oberbayern richtet sich das nach den Gebirgstälern entlang des Lechs, der Loisach, der Isar, dann das Tegernseertal, Chiemgau, Rupertiwinkel, Salzach und Berchtersgaden. Weiter nach Norden gibt es das Gebiet zwischen Ammersee und Starnbergersee, was man nach der Einteilung der Trachtler als Husigau bezeichnet, dann Lechrain als Gegend nördlich vom Ammersee und Landsberg. Die Umgebung von München ist kein einheitliches Gebiet, das einen einheitlichen musikalischen Dialekt aufweist. München ist beeinflusst vom Umland und stellt ein großes Gemisch dar. Es gibt aber einzelne Stadtviertel die ganz deutlich von bestimmten Gegenden des Umlandes musikalisch abhängig sind. So zum Beispiel die musikalischen Ahnen von Giesing, sie sind sicher in Holzkirchen, Miesbach und Schliersee zu suchen. Im Nordosten äußern sich Gegenden dachauerisch, sowohl von der sprachlichen, wie auch von der musikalischen Ausdrucksweise. Weiter gibt es im Norden die Holledau, die Umgebung von Schrobenhausen, Donaumoos und Ingolstadt. Neu hinzugekommen ist Eichstätt, das schon sehr fränkisch bestimmt ist. In der Gegend um Altötting, Markl und Burghausen, herrscht schon der niederbayrische Einfluss. Wasserburg ist eine eigenständige Region. Das vielleicht charakteristischte ist Berchtersgaden und Salzburg. Solche Grenzüberschreitungen gibt es auch in Mittenwald und Tirol.
Nach meiner Ansicht ist es auch nicht so wichtig, dass man solche Musiklandschaften genauer festlegt, denn da ist inzwischen ein geben und nehmen entstanden. Rundfunk, Fernsehen und die verschiedenen Tonträger bewirken, wie schon erwähnt, eine Einebnung dieser Unterschiede.

» Rundfunk, Fernsehen und die verschiedenen Tonträger bewirken, … eine Einebnung dieser Unterschiede. «

In der Volksmusik spricht man sehr oft von Allgäuer Musikanten, oder Musikanten von Garmisch usw. Ist es nicht so, dass sich hinter diesen Ortsnamen Persönlichkeiten verbergen, die man genauso als Personen beim Namen nenne könnte?

In Oberbayern wird die Volksmusik von sehr vielen Schultern getragen. Natürlich gibt es Exponenten wie Sepp Eibl, Sepp Winkler, Martin Schwab, Franzi Schwab usw. Ich müsste die Liste auf hundert Leute erweitern, die wesentliche Dinge getan haben, Neuerungen in verschiedenen Bereichen, oder bestimmte Elemente der Tradition wieder ausgegraben und brauchbar gemacht haben, oder auch einfach publiziert haben.
Ich sehe allerdings wie die Situation anderswo ist. Im Allgäu sehe ich fünf Leute die Ideen haben und ihre Sachen vorwärts bringen. In Franken sehe ich drei Leute und in der Oberpfalz zwei Leute. Insofern ist schon ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Oberbayern und anderen Musiklandschaften.

Wie machen Sie die zeitliche Einteilung der Volksmusik

Wir kennen wenige Reste aus der Zeit vor 1800, wo Bordun, Dudelsack und Drehleier noch gespielt wurden und es Verbindungen zur Alten Musik gab.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist das Aufblühen der ersten harmonisch orientierten Volksmusik feststellbar, und es entstanden die ersten Blasmusikkapellen.
Die großen Notenbestände der Volksmusik gehen auf die zweite Hälfte des19. Jahrhunderts zurück, als die Militärmusiker von der Stadt auf das Land zurückkehrten.
Von Anfang dieses Jahrhunderts bis etwa um die Zeit um 1930 gab es einen relativen Stillstand.
Von da ausgehend ist durch die Bemühungen von Kiem Pauli und seinen Weggenossen eine Aufwärtsentwicklung zu verzeichnen. Durch den letzten Krieg wurde dies unterbrochen und danach wieder fortgesetzt.
Mit der Tendenz zur Saitenmusik, die früher eher dem privaten Bereich zugeordnet wurde, der Verbreitung durch Tonträger und den vielen Volksmusikveranstaltungen, gewann die Volksmusik an Beliebtheit.
Was mir an der Entwicklung der Volksmusik nicht so gefällt ist, das sich wegbewegen vom tänzerischen, weil damit ein wesentliches Element verloren geht. Eine relativ neue Tendenz der Volksmusik, für die ich mich auch einsetze, ist das Musizieren in der Kirche. Ein weiteres ist das fördern von neuen alten Klängen, in meinem Fall zum Beispiel das dreistimmige Zitherspiel.

Was halten Sie von der Gruppe "Biermösl Blosn"?

Ich glaube das dies ein Weg ist, den die Volksmusik gegangen ist, allerdings etwas abseits. Politische Kritik zu üben und kabarettistische Elemente einzubringen hat es in Einzelfällen schon früher gegeben. Wenn man die ersten 60 Saiten des Kiem Pauli liest so ist viel Kritik der Knechte an den Bauern und den Bauern an ihren Knechten zu finden, nach dem Spruch: "Beim kalten Winter, das ist ein Wetter für meine Knecht', arbeiten sie nicht schnell, dann friert sie's recht". Aktuelle Kritik an der Gesellschaft und den Ständen hat es immer schon gegeben, nur ist es meist von kurzlebiger Dauer.

Das oder "der" Radio war für die Entwicklung der bairische Volksmusik wichtig. Es soll auch riesige Bestände an Volksmusikaufnahmen geben.

Der Bayrische Rundfunk hat etwa seit 1922 regelmäßig Volksmusiksendungen ausgestrahlt. Das hieß damals "Deutsche Stunde in Bayern". Während der Nazi-Zeit wurde dies missbraucht zur Gleichschaltung und Unterdrückung von allem Religiösen. Nach dem Krieg waren die Volksmusiksendungen wieder ein ganz wesentlicher Bestandteil des Programmes.
In den letzten 15 Jahren, die Ära von Artmaier, ist die Volksmusil ziemlich verkommen. Man hat weder Wert auf beispielhaftes Altes, noch Wert auf interessantes Neues gelegt. Während dieser Zeit sind viele gute Sänger und Musikanten nach Salzburg, Innsbruck, Bozen, Lienz oder Stuttgart gefahren und haben dort ihre Aufnahmen gemacht. Seit Fritz Meier dreht sich die Sache wieder.

Kannten Sie Franz Holzfurtner?

Franz Holzfurtner war ein begabter und gesuchter Gitarrenlehrer in München. Er hat zusammen mit Pfänder und Eitele in einem Gitarrentrio gespielt und hat die klassische Gitarrentechnik auf die Volksmusik angewandt. Durch Rundfunksendungen war seine Musik sehr beliebt und wurde zum Vorbild vieler Gitarrenspieler.

Darf Volksmusik kommerziell sein?

Schwierig! Musikanten sind früher immer bezahlt worden und sollten das auch heutzutage. Wenn ich jemanden zu einer Veranstaltung einlade, so kriegt er eine gute "Brotzeit", Fahrgeld und 100.- Mark. Was dahinter steckt ist: Wir wollen uns nicht vorschreiben lassen, was wir zu tun oder zu mögen haben. Je niedriger das finanzielle Niveau ist, umso grösser bleibt die Freiheit des musizierens.
Wenn jemand 300.- Mark bieten würde, damit man das "Kufsteinlied" spielt, so werden sich 98 Prozent der Volksmusikanten sagen: Behalte dein Geld, ich behalte meine Ehre.

» … Volksmusikanten sagen: Behalte dein Geld, ich behalte meine Ehre. «

Ist die "volkstümliche" Musik für Sie ein heißes Eisen?

Ich packe die Konfrontation schon an, allerdings gibt es viele Leute die dies verhindern wollen. Zum Beispiel war im Juni (1992) eine Frau vom Bayrischen Fernsehen hier und führte ein Interview. Es ging um die Stellungnahme eines Volksmusikanten zur "volkstümlichen" Musik. Ich bereitete mich gut vor und sprach von vielem, was "Hand und Fuß" hatte. Diese Frau war auch beim Hans Well von den "Biermösl Blos'n", der sich auch sehr deutlich dazu äußerte. Auf der Gegenseite waren die Exponenten: Karl Moik, Lolita und Hans Baierlein. Der Beitrag der daraus entstand wurde aber nicht gesendet. Bei der Nachfrage hieß es dann: Der zuständige Redakteur hätte den Beitrag abgesetzt, denn das sei der "volkstümlichen" Musik nicht zuzumuten.
Ich glaube auch, dass es eine "heilige Allianz " zwischen der GEMA und einem Teil des Bayrischen Rundfunks gibt.

Stehen die Volksmusikanten mit der GEMA auf "Kriegsfuß"?

Es gibt einen breiten Konsens mit der GEMA, dass wir das, was wir an Volksmusik besitzen, in den Grundzügen von den "Alten" geerbt haben. Wir mussten nichts dafür leisten, außer uns der Sache zu bemächtigen. Deswegen sollte dieses Geschenk nicht ein einzelner in Besitz nehmen, sondern frei verfügbar bleiben. Genauso großzügig und freigiebig wie wir es bekommen haben, sollten wir es auch weitergeben.
Deshalb ist uns die Praxis der GEMA, nicht die GEMA grundsätzlich, ein Dorn im Auge. Die GEMA lässt nämlich ungeprüft zu, dass beispielsweise ein Quirlin Amper oder ein Alfons Bauer eine Kopie aus einem Volksmusikheft macht, bei der GEMA einreicht und unter ihrem Namen schützen lässt. Dies ist in über 250 Fällen beweisbar. Trotzdem haben wir kaum Möglichkeiten dagegen anzugehen.
Die Realität heißt: Herr X nimmt das Stück Y aus einem Volksmusikheft, transponiert es einen Ton höher und meldet seine Bearbeitung an. Ab jetzt kassiert Herr X für jede Aufführung dieses Stückes, egal ob seine Fassung verwendet wurde oder eine andere. Die GEMA schluckt das und fördert somit solche Praktiken. Das ist ein Schlag gegen die Volksmusik und gegen Freiheit die wir heute so sehr lieben.

Interview: René Senn
Das Gespräch wurde am 07.08.1992 und am 07.10.1992 in Ohlstadt aufgenommen.
(Archiv: R. Senn)