Wolfgang Neumüller

»Ich habe die Technik auf meine Vorstellung des Gitarrenklanges eingerichtet.«

Können Sie etwas zu Ihrer Person sagen und wie Sie das Musizieren begonnen haben?

Ich bin 1947 in Holzkirchen, im bayerischen Oberland, geboren. In der Familie musizierten beide Elternteile. Die Mutter spielte Klavier und der Vater war das, was man einen Volksmusikanten nennt. Zuerst spielte er auf dem Akkordeon einfache Unterhaltungsmusik. Mit Tobi Reiser als Vorbild hat er den Weg zur Volksmusik gefunden und die Musik von ihm nachgespielt.
Als junger Bub hatte ich die Gelegenheit, die Instrumente, die da waren auszuprobieren, so zum Beispiel: Hackbrett, Akkordeon und Harfe, später dann auch die Gitarre. Während ich auf diesen Instrumenten zu musizieren versuchte, lief gleichzeitig eine klassische Ausbildung auf dem Klavier, die ich mit 6 Jahren begonnen hatte. Im Alter von 14 Jahren hatte ich den Wunsch Musiklehrer zu werden. So wurden hinsichtlich der Ausbildung die Weichen gestellt. Weil damals nur Geige und Klavier zugelassen war, lernte ich als zweites Instrument die Geige. Nebenher verfolgte ich immer den volksmusikalischen Zweig. Ich musizierte mit Freunden zusammen in der Besetzung mit zwei Gitarren und Zither. Wir spielten – wie mein Vater – die Stücke von Tobi Reiser nach, entweder nach Noten oder wir haben uns die Stücke abgehört.
Ich hatte dann die Lehrtätigkeit an einem Gymnasium in Marktredwitz aufgenommen. Später zog es mich ins Chiemgau, wo ich seit 20 Jahren am Gymnasium in Rosenheim unterrichte. Mein damaliger Schulleiter ermöglichte mir einen Wahlunterricht für Volksmusik einzurichten.

» Mit Tobi Reiser als Vorbild hat er den Weg zur Volksmusik gefunden… «

Haben Sie auch in der Familie mit Geschwistern oder Ihrem Vater musiziert?

Ich bin das einzige Kind. Mein Vater musizierte in einer Gruppe mit fünf Leuten. Als 17-jähriger bin ich für den Hackbrettspieler eingesprungen und so in die Gruppe hineingewachsen.
Mein Vater und ich hatten noch die Gelegenheit mit dem Kiem Pauli zusammenzukommen. Auch mit Tobi Reiser trafen wir uns gelegentlich. Wir waren eigentlich sehr aktiv zu dieser Zeit.

Wie haben Sie das Gitarrenspiel gelernt?

Ein Schulfreund konnte auf der Gitarre ein wenig Begleitung und Melodie spielen. Ich hatte auf seiner Gitarre etwas herumprobiert und äußerte dann zu Hause den Wunsch, Gitarre spielen zu wollen. An Weihnachten lag dann eine 60-Mark-teure Sperrholzgitarre mit einer Gitarrenschule unter dem Weihnachtsbaum. Im Selbstunterricht versuchte ich meine ersten »Gehversuche«.
Ein Freund meines Vaters spielte klassische Gitarre und gab mir verschiedene Tipps, ohne dass dies die Form eines Unterrichtes annahm. Er hat mir auch seine Gitarre geliehen, da meine so schlecht zu spielen war.
Ich hab mir dann viele Aufnahmen von Tobi Reiser angehört und mich gefragt: Wie macht er das? Wie klingt das? Was muss ich tun, dass es auch so klingt? So hatte ich versucht mein Gitarrenspiel ohne Unterricht weiter zu entwickeln.

» Was muss ich tun, dass es auch so klingt? «

Spielen Sie auf der Gitarre mehrheitlich Begleitung oder Melodie?

Am Anfang spielte ich kleine Solostücke aus der Carcassi-Schule. In dem Trio mit zwei Gitarren und Zither spielte ich entweder die Begleitung oder die Melodie. Heute spiele ich im Gitarrenduo mit meiner Freundin Uschi Mader zusammen. Ich spiele die Melodie und sie die Begleitung. Spielt sie die Harmonika, so spiele ich die Begleitung. Mit Günther Arnold, der die dritte Gitarre spielt, bilden wir auch ein Gitarrentrio. Insgesamt bin ich eher ein Melodiespieler.

Wie sind Ihre Notenhefte (Gitarrenstückl 1 und 2) entstanden? Haben Sie die Stücke zuerst gespielt, oder haben Sie die Stücke aufgeschrieben und dann gespielt?

Zuerst spielten wir die Stücke. Das erste Heft ist vor etwa 17 Jahren entstanden. Wir nannten uns das Hugl-Gitarrentrio und waren die ersten, die in unserer Gegend mit drei Gitarren musizierten. Ich machte selber Stücke, übte und studierte sie ein und dann spielten wir sie vor. Auf einer Veranstaltung in Riedenburg bot mir Herr Preißler an, die Stücke in seinem Verlag zu publizieren. Der Bayerische Rundfunk hat damals diese Stücke mit uns aufgenommen.
Alles ging sozusagen Hand in Hand: einerseits selber Stücke zu machen, dann die Aufnahmen mit dem Bayerische Rundfunk und das Angebot die Noten zu publizieren.

Wie ist die »Zweite« und »Dritte Stimme« entstanden? Haben Sie sich die Melodien vorgestellt und weitere Stimmen aufgeschrieben, oder haben Sie die Melodien aufgenommen und weitere Stimmen dazugefunden, oder ist es im Zusammenspiel durch Ausprobieren entstanden?

Alle diese Möglichkeiten, die Sie angesprochen haben, waren vertreten. Teilweise übten wir zusammen und haben vieles ausprobiert. Danach notierte ich mir die einzelnen Stimmen aus dem Gedächtnis. Es war auch so, dass ich ein Stück im Kopf hatte und gleichzeitig die Vorstellung von weiteren Stimmen. In diesem Fall schrieb ich die Noten auf und vermittelte es den Mitspielern, zum Teil auch nach Gehör. Wir musizierten auch nächtelang zusammen und das Tonband lief mit. Beim späteren Abhören notierte ich die einzelnen Stimmen.

Kontrollieren Sie das Zusammenspiel mit Tonbandaufzeichnungen?

Ja. Gerade bei langsameren Stücken ist das Zusammenspiel oft diffiziler als bei rhythmischen.

Uschi Mader

Uschi Mader: Vor allem bei höfischen Stücken, wenn bestimmte Mollbässe da sein müssen, geht es um eine genaue Begleitung.

Wir hatten das Glück, dass wir voneinander lernen konnten. Uschi war mit der Gitarre ganz am Anfang und ich lernte die Harmonika spielen. Durch das gemeinsame Üben und Spielen profitierten wir voneinander. Damit Uschi die Gitarrenbegleitung üben konnte, habe ich über das gleiche Akkordschema verschiedene Melodien gespielt. Es war auch für mich eine sehr fruchtbare Zeit, weil sich bei mir ein Melodienreichtum entwickelt hat, den ich sonst gar nicht gebraucht hätte. Auch so sind viele neue Melodien entstanden.

In welchen Besetzungen haben Sie noch musiziert?

Bis vor 10 Jahren spielte ich das Akkordeon in einer Tanzlmusi. Es war eine tirolerisch angehauchte Besetzung mit zwei Flügelhörnern, Posaune, Harfe und Tuba. Davor spielte ich in der Bachleiten-Musi zusammen mit meinem Vater (Akkordeon), meiner Frau (Altflöte) und zwei Freundinnen (Zither und Gitarre) nach dem Vorbild der Ruperti-Winkler Musikanten. In dieser Zeit entstanden auch etliche Stücke für diese Besetzung.
Mit Uschi spiele ich auch im Harmonika-Duo oder mit Akkordeon und Gitarre. Mit Hans-Peter Röck aus dem Oberpinzgau, der das Hackbrett spielt, machten wir eine Weihnachtsproduktion.

Spielen Sie auch Gitarrenbegleitung zu Liedern, die gesungen werden?

Es war mir schon immer ein wichtiges Anliegen, Lieder gut begleiten zu können. Seit ich musiziere bin ich mit Akkordeon und Gitarre unterwegs und habe Gesangsgruppen begleitet.
Singe und spiele ich gleichzeitig, so bereitet es mir manchmal Schwierigkeiten, dass beides zufriedenstellend klingt. Bei Auftritten habe ich die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, wenn man sich nicht selbst begleitet.

Zu welchen Anlässen musizieren Sie?

Früher hatten wir auch bei Volksmusik-Großveranstaltungen mitgemacht. Jetzt mögen wir es nicht mehr so sehr, auf einer Bühne zu sitzen mit vielleicht 50 anderen zusammen. Man ist in drei Stunden hingefahren, 200 Kilometer, hat dann zwei Stücke gespielt und fährt dann in der Nacht wieder drei Stunden zurück. Uns interessiert es mehr in einem kleineren Kreis, auf kleineren Bühnen zu musizieren. Mitten unter Leuten zu spielen ist uns viel lieber geworden, weil sich da spontan mehr ergeben kann.
Im Advent musizieren wir öfters im kirchlichen Rahmen.
Eine gute Gelegenheit zu musizieren sind auch die Musikkurse an Wochenenden oder zweimal im Jahr eine ganze Woche in der Steiermark und Tirol. Die Uschi und ich sind da als Referenten tätig.

» Uns interessiert es mehr in einem kleineren Kreis, auf kleineren Bühnen zu musizieren. «

Uschi Mader: Wenn man den ganzen Tag im Unterricht war, dann möchte man als Lehrer auch selber spielen. Man hat Gelegenheit, mit anderen guten Musikanten zusammen zu spielen und es sind manchmal musikalische Sternstunden, die man sonst nirgendwo erleben kann.

Gibt es von Ihnen Aufnahmen?

Auf der Schallplatte »Stubenmusi«, eine Reihe von Wastl Fanderl, sind ein paar Stücke vom Hugl-Gitarren-Trio aufgenommen.
Beim Pfarrer Franz Nigl in Unterwössen musizierten wir im geistlichen Bereich. Wir waren jahrelang an jedem Erntedankfest, Adventsingen und Weihnachtssingen dabei. Davon wurden verschiedene Platten, hauptsächlich mit geistlicher Musik, gemacht. Wir waren mit dem Hugl-Gitarren-Trio und später mit der Kohlstatter Musi dabei.
Eine für mich wichtige Platte war »Im Buchsbaumer Wald«. Wir hatten sie zusammen mit den Geschwister Röpfl gemacht. Ich hatte die Gelegenheit, diese Platte selber musikalisch zu gestalten, d.h., die Geschwister Röpfl wollten bestimmte Lieder aufnehmen. Es waren Liebeslieder, und ich konnte mit zwei Musikgruppen, der Bachleiten Musi und dem Gitarrentrio, die passenden Musikstücke und Einspielungen dazu machen.
Nach jahrelanger Funkstille wird zum nächsten Advent die Produktion: »Advent in St. Leonhard« veröffentlicht. Zu zwei Gesangsgruppen konnten wir die Begleitungen und den musikalischen Rahmen gestalten.
Weiter habe ich bei etwa 200 Rundfunkaufnahmen von verschiedenen Sendern mit diversen Instrumentalgruppen mitgewirkt.

Was haben Sie an Noten veröffentlicht?

Es gibt zwei Hefte: »Gitarrenstückl 1 und 2«. Das erste nach der Vorlage der Hugl Musi und der Kohlstatter Musi, das zweite von den Altmühldorfer Musikanten.
Es gibt auch zwei Hefte für Akkordeon mit größtenteils eigenen Stücken.
Das Problem war für mich, dass ich niemandem Stücke »stehlen« wollte. Mich hat es immer schon interessiert, Stücke, die ich selber gern spiele und die nicht veröffentlicht sind, herauszugeben. Ich habe mich gescheut, mich mit den rechtlichen Dingen wie GEMA usw. auseinanderzusetzen. Also war ich bestrebt, lieber eigene Melodien, die mir über längere Zeit gefallen haben, zu verwenden.
Vor zwei Jahren war eine Initiative in Tirol, die gesamte Musik von dem Blasmusikanten Gottlieb Weissbacher zu veröffentlichen. Von einigen dieser Stücke habe ich eine Akkordeonfassung gemacht. Für uns spielt auch die Diatonische Harmonika eine große Rolle. Uschi hat sich schon lange damit beschäftigt. So gibt es auch ein Harmonikaheft mit eigenen Stücken.
Ich habe auch eine Transkription von Raffelestücken aus Südtirol erarbeitet, die vom Institut für Volksmusikerziehung in Südtirol herausgegeben wurde.
Diverse Aufsätze, zum Beispiel über das Akkordeon, wurden in der »Sänger- und Musikantenzeitung« veröffentlicht.
Eine umfangreichere Arbeit war die Erforschung des Harmonika- und Gitarrenspiels in Südtirol für das »16. Volksmusik-Forschungs-Seminar in Bozen 1987«.
Eine für mich wichtige Sache ist der »Begleitkurs für Gitarre«. Er beinhaltet eine Sammlung von gängigen Begleitfiguren der alpenländischen Volksmusik. Es sind Beispiele aus der Musikpraxis von Tobi Reiser und Kiem Pauli. Natürlich gehört auch Martin Schwab dazu, der wesentliche Neuerungen brachte, was das rhythmische Begleiten anbelangt. Daraus habe ich Begleitmodelle, die oft zur Anwendung kamen, zusammengestellt.

» Martin Schwab… der wesentliche Neuerungen brachte, was das rhythmische Begleiten anbelangt. «

Der Begleiter hat eine wichtige Funktion. Er ist für den Rhythmus und das harmonische Geschehen verantwortlich. Er soll sich nicht in den Vordergrund spielen, weil die Melodie das tragende Element ist. Der Begleiter liefert sozusagen den Unterbau. Weiter sollte er sorgfältig mit Bassgängen und harmonischen Erweiterungen der Nebenstufen umgehen, nicht dass er die Melodie erschlägt und »kaputt« macht.
Da wir es sehr oft mit Leuten zu tun haben die mit den Noten auf Kriegsfuß stehen, habe ich die Akorde mit Griffbildern dargestellt. Die Akkorde und auch die Bassläufe können so optisch umgesetzt werden. Wenn man die Gelegenheit hat, mit den Leuten eine Woche zusammen zu musizieren, kann das Begleiten anhand der gespielten Melodien geübt werden. Zuhause fehlt ihnen dann das Melodiespiel und sie sind so gezwungen »trocken« zu begleiten. Es entstand die Idee, eine Kassette mit Melodien die begleitet werden können, zusammenzustellen. Diese Begleitungen können einerseits auf der Kassette als Hörbeispiele gehört werden und sind andrerseits auch in einem Begleitheft aufgeschrieben. Wichtig ist, dass das Hörbeispiel da ist. Man hört, wie die Bässe angeschlagen werden, wie abgestoppt wird und wie die Begleitung klingt.

Warum haben Sie diesen Begleitkurs nicht veröffentlicht?

An sich biete ich es schon an, nur mach ich keine Reklame. Ich habe viele Lehrerkollegen, die an Musikschulen mit der Kassette und dem Heft arbeiten. Es ist als Unterrichtshilfe für Lehrer gedacht. Auf die Anschlagstechnik und die Rhythmuslehre habe ich bewusst verzichtet. Die Voraussetzung ist, dass der Lernende die Akkorde, das Umgreifen und die elementaren Anschlagstechniken kann.

Haben Sie auch etwas ähnliches für das Melodiespiel gemacht?

Ja, aber noch ohne Kassette! Viele Melodien der alpenländischen Volksmusik laufen über die Dreiklänge. Vom praktischen Können des Begleitens lassen sich schon einfache Instrumentalmelodien spielen.

Können Sie etwas über die Haltung der Gitarre sagen?

Da ich das Gitarrenspiel nicht bei einem Lehrer gelernt habe, bin ich in der Frage der Haltung auch nicht beeinflusst worden. Ich verhielt mich so, dass der Klang, der aus der Gitarre herauskam für mich am Besten war. Ich habe die Technik auf meine Vorstellung des Gitarrenklanges eingerichtet. Ich versuchte wie Tobi Reiser zu spielen, so wie ich es bei ihm gesehen hatte. Ich habe ihn an Veranstaltungen erlebt und konnte ihm genau auf die Finger schauen.
Nur mit einer runden Fingerhaltung der rechten Hand, ist es mir möglich die Begleitung so zu spielen, dass sie hart und kurz klingt und beim Abstoppen fast »scheppert«. Die Finger »rupfen« sozusagen die Saiten.
Bei Gitarrenspielern der klassischen Haltung ist es nicht möglich diesen Klang zu realisieren. Mit meiner Technik bin ich teilweise im Melodiespiel benachteiligt. Ich spiele keinen angelegten Anschlag.

» Bei Gitarrenspielern der klassischen Haltung ist es nicht möglich diesen Klang zu realisieren. «

Haben Sie Tobi Reiser über seine Technik befragt?

Eigentlich nicht! Ich habe meine Spielweise von ihm bestätigt gefunden. Ich spielte in seiner Art und das hat ihm auch gefallen. Er sagte: er möchte die »Tanzl«, die er sonst auf der Geige spielt, auf die Gitarre umsetzen. Er legte mehr Wert auf das tänzerische Spiel als auf einen schönen, runden, klassischen Ton.

» Tobi Reiser… legte mehr Wert auf das tänzerische Spiel als auf einen schönen, runden, klassischen Ton. «

Der Zitherspieler Schwab Franzi hat über längere Zeit mit Tobi Reiser zusammengespielt. Er bestätigte mir schon öfters, dass mein Spiel dem vom Tobi Reiser sehr ähnlich sei. Einerseits erfüllt mich dies mit Stolz, andrerseits möchte ich Tobi Reiser nicht einfach imitieren, sondern auch meinen eigenen Stil zum Ausdruck bringen.
Spiele ich ein Stück von Tobi Reiser oder eines, was aus dieser Art heraus geboren ist, so möchte ich die klangliche Spielweise von ihm verwirklichen. Seine Staccato-Spielweise im Melodiespiel muss man immer wieder anhören, bis man sich keine Gedanken mehr macht und es genauso spielt.
In der Volksmusik gibt es gewisse Grundvorstellungen wie es zu klingen hat. Trotzdem sollte jeder seine Spielweise entdecken und sein eigenes Gefühl spielen lassen können. Das gleiche Stück wird in Südtirol anders phrasiert als beispielsweise bei uns. Dies ist auch richtig so. Mit einer ausgeschriebenen Phrasierung, Staccato- und Legatozeichen, möchte ich dies in den Noten nicht festlegen und beeinflussen, sonst wird es letztlich überall gleich gespielt.

» In der Volksmusik gibt es gewisse Grundvorstellungen wie es zu klingen hat. Trotzdem sollte jeder seine Spielweise entdecken und sein eigenes Gefühl spielen lassen können. «

Spielen Sie auf der Gitarre ein Vibrato?

In ruhigeren Melodien spiele ich öfters ein Vibrato als beispielsweise bei einer Polka. Bei Tondokumenten, die jetzt schon fast 50 Jahre zurückgehen, hört man immer wieder ein Vibrato im Instrumentalspiel. Zum Beispiel Hans Reiter von den Tegernseer Musikanten spielt ein ausgeprägtes Vibrato auf der Schoßgeige.

Stimmen Sie die Gitarre nach einer bestimmten Methode?

Ich bin erst seit ein paar Jahren Besitzer eines Stimmgerätes. Es ist sehr hilfreich, wenn man stimmen soll und es ist laut um einem herum. Ansonsten stimmen wir nach den Instrumenten mit denen wir zusammenspielen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn die 1. Leersaite mit der 2. Saite im 5. Bund genau stimmt, es nicht in jeder Tonart stimmt. Deswegen ist ein Nachstimmen in der Tonart notwendig, in der das Stück gespielt wird. Ich kenne auch bestimmte Schwachpunkte der Intonation in einem Stück und stimme dann mit gewissen Kompromissen darauf hin.

Warum haben Sie in der ersten Notenausgabe der »Gitarrenstückl 1« keinen Fingersatz angegeben?

Am Anfang war es für mich so, dass ich einfach die Melodien weitergeben wollte. Der Verleger wollte dann den Fingersatz zu den Noten dazugeschrieben haben. Er hat einen weiteren Gitarrenspieler hinzugezogen und manche Vorschläge habe ich dann auch übernommen. Es stellten sich grundsätzliche Fragen, wie zum Beispiel Terzen zu spielen sind usw.

Ist der Fingersatz für das Gitarrenspiel wichtig?

Der Fingersatz ist im Allgemeinen für das Gitarrenspiel schon wichtig. Wenn eine Klangvorstellung da ist, kann auch ein »Wald- und Wiesen-Fingersatz« richtig sein. Mit einem bestimmten Fingersatz, erhalte ich eine bestimmte Phrasierung.
Mit dem Fingersatz gebe ich dem Schüler Hinweise, wie er Melodien oder Griffkombinationen spielen kann, dass sie auch entsprechend flüssig klingen.

» Mit einem bestimmten Fingersatz, erhalte ich eine bestimmte Phrasierung.? «

Gibt es Verzierungen die Sie im Melodiespiel nicht verwenden?

Nein! Ich entscheide dies eher gefühlsmäßig. Bei einfachen Melodien spiele ich öfter zum Beispiel vor der 1. Zählzeit einen Vorschlag und arpeggiere die Terzen. Das Schleifen (Glissando) auf einer Saite darf man auch mal hören, gerade bei langsamen Stücken. Es sollte aber nicht zur Marotte werden.

Zur Zeit analysiere ich die Musik von Schwab Franzi und den Rupertiwinklern. Da spielte ein Gitarrenspieler mit, er ist vor über 20 Jahren tödlich verunglückt, der für mich ein hervorragender Begleiter war und für mich auch ein absolutes Vorbild ist. Er war einfallsreich, hatte aber nie die Funktion des Begleiters außer Acht gelassen, was die Melodie an den Rand bringen könnte. Er hat sowohl die Akkorde nach »außen«, als auch nach »innen« fallend arpeggiert.

Haben Sie für diese Begleitverzierung einen bestimmten Begriff?

Uschi Mader: Ich sage: mit den Fingern nach »außen rollen« oder nach »innen rollen«.

Wie spielen Sie den Grundschlag und den Nachschlag einer Polka-Begleitung?

Grundsätzlich spiele ich bei einer Polka den Grundschlag und den Nachschlag abgedämpft, abgestoppt. Der Bass auf dem Grundschlag erfolgt mit dem Daumenanschlag nach innen auf die nächste Saite (apoyando), fast in das Schalloch reinfallend, und wird mit dem Daumenrücken abgestoppt. Schlägt man den Daumen nach außen an (tirando), schwingt die Saite ungünstiger. Manchmal stoppe ich auch mit dem Daumenballen ab.
Der Nachschlag wird mit den Fingern gespielt, die sofort nach dem Anschlag auf die Saiten zurückfallen und abstoppen.
Es ist auch möglich den Bass mal lang zu spielen. Bei einem Bassgang wird nicht jeder Ton kurz gespielt.

» Manchmal stoppe ich auch mit dem Daumenballen ab. «

Und bei einem Walzer oder Halbwalzer?

Der Bass auf dem Grundschlag klingt bis zum 1. Nachschlag. Der Daumen wird an die nächsthöher klingende Saite gespielt (apoyando) und dämpft dann mit dem Daumenrücken die Saite. Der Akkord auf dem 1. Nachschlag ist kurz gespielt, auf dem 2. Nachschlag lang.

Können Sie ein Beispiel einer Polka-Begleitung auf der Gitarre spielen?

Beschreibung:
Der Bass wird angelegt gespielt und unmittelbar nach dem Anschlag mit der Daumenkante gedämpft. Die Nachschläge werden kurz gespielt und gleich nach dem Anschlag mit den Fingern gedämpft, die zuvor angeschlagen haben.

Sie greifen den G-Dur-Akkord in der Barrégriffweise. Gibt es für Sie bestimmte Grifftypen, die Sie bei der Begleitung bevorzugen?

Ja! Zum Beispiel gerade in G-Dur. Die übliche Griffweise mit Leersaiten finde ich sowohl im klanglichen, durch die Verdoppelung des Grundtones und dadurch fehlende Quintton, als auch aus grifftechnischen Gründen nachteilig.
Beim D7-Akkord bevorzuge ich, wie auch Tobi Reiser, Martin Schwab und der Begleiter der Rupertiwinkler, die Griffweise mit den Fingern 1, 2 und 4.

Spielt man in den Be-Tonarten, nehme ich den vom B7 (H7)-Grifftyp abgeleiteten verschiebbaren Akkord und kann so beispielsweise in As-Dur in der IV Lage begleiten.

Eine weitere Möglichkeit ist, wie ich es früher gespielt habe, den vom C7-Grifftyp abgeleiteten Akkord zu verwenden. Der Nachteil ist, dass dieser dumpfer, beziehungsweise tiefer klingt.

Ein guter Begleiter, der mit Begleitungen in den Lagen umzugehen weiß, ist Rudi Rehle von der Kreuther Stubenmusi.

Verwenden Sie den Kapodaster beim Begleiten?

Ja, wenn ich die Harmonika mit der Gitarre begleite und ich möchte eine mühelose und schöne Begleitung spielen, so ist der Kapodaster schon sehr nützlich. Spielt man dauernd mit einer Harmonika mit der Stimmung Be-Es-As, so gibt es auch die Möglichkeit, die Gitarre um einen halben Ton höher zu stimmen.

» … eine mühelose und schöne Begleitung spielen, so ist der Kapodaster schon sehr nützlich. «

Uschi Mader: Es ist trotzdem wichtig in den verschiedenen Tonarten begleiten zu können. Gesangsgruppen singen häufig in der für die Gitarre unbequemen Tonarten wie, Fis-Dur oder As-Dur. Für ein Lied, oder um schnell mal eine Tonart auszuprobieren verwende ich natürlich keinen Kapodaster. Beim Begleiten einer »Tanzlmusi« ist es aber schon vorteilhaft den Kapo zu verwenden, auch um tiefe Bässe spielen zu können.

Die Begleitung sollte nicht in den hohen Lagen gespielt werden, weil sie sonst zu sehr in den Tonbereich der Melodie hineinspielt.
Grundsätzlich begleiten wir Gesangsgruppen im Duo. Ich spiele dann die Akkorde und Melodien und Uschi kann die Bässe dazuspielen. Otto Delago, ein Freund aus Südtirol, hat sich zu einem beachtenswerten Begleiter entwickelt. Er spielt allein und verwendet den Kapodaster so, dass er immer die Grundbässe spielen kann.

Uschi Mader: Das Wesentliche ist ja: die Begleitung, beziehungsweise die Musik soll schön klingen. Ob ich technische schwierige Barréakkorde oder ein Kapodaster verwende ist egal.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Verwenden vom Kapodaster bei den Gitarrespielern verpönt ist, und sie sich lieber mit Akkorden in den Lagen abmühen, als bequem mit dem Kapodaster zu spielen.

Bei alten Gitarrespielern haben wir erlebt, dass sie bei Solostücken die Basssaiten umstimmen. So konnten die Bässe mit den Leersaiten gespielt werden. Also wurde beispielsweise die A-Saite nach c (kleines c) und die E-Saite nach G umgestimmt. Dies wird meiner Ansicht nach heute zu wenig gemacht.

Können Sie ein Beispiel einer Walzer-Begleitung spielen?

Beschreibung:
Der Bass wird angelegt gespielt und zusammen mit dem 1. Nachschlag, der kurz gespielt wird, gedämpft (abgestoppt). Der 2. Nachschlag wird lang gespielt und genau wenn der Bass erneut angeschlagen wird gedämpft.

Es gibt auch die Meinung, dass der 2. Nachschlag auch kurz gespielt werden soll. Was halten Sie davon?

Bei der Polka hört man auch, dass die Bässe lang klingen. Für mich »swingt« es dann zu sehr und ich finde es für unsere Musik nicht typisch.
Zur Zeit kann man beobachten, dass es viele begabte junge Leute gibt, die von anderen Instrumenten kommen und diese auch gut spielen können. Auf der Gitarre spielen sie dann unbeschwert drauflos. Fehlentwicklungen, die sie irgendwo gehört haben, empfinden sie als richtig, führen dies fort und geben es auch so weiter. Weil mir diese Entwicklung so nicht gefällt, möchte ich auf solche Fehlentwicklungen hinweisen.
Ein anderer Punkt sind die Bassgänge. Der Bass sollte eine logische Melodie sein und nicht zu sehr durch chromatische Verbindungen beeinträchtigt werden.

» Der Bass sollte eine logische Melodie sein und nicht zu sehr durch chromatische Verbindungen beeinträchtigt werden. «

Uschi Mader: An einem Volksmusikkurs hatten wir die Melodie vom Siebenschritt (Volkstanzmelodie) gelehrt. Nachdem wir das Stück so oft gespielt hatten spielten wir es zur Erheiterung mal in Moll. Ein Jahr später spielte ein Schüler ganz selbstverständlich den Siebenschritt in Moll. Darauf angesprochen meinte er: Ja, er hätte eine Aufnahme vom letzten Jahr und da hätten wir die Melodie auch so gespielt. So wurde uns bewusst, wie schnell man als Referent oder Lehrer und somit Vorbild, missverstanden werden kann.

Hatten Sie eigentlich Probleme als Frau bei den Musikanten akzeptiert zu werden?

Uschi Mader: Am Anfang hatte ich das Gefühl, als wäre ich »geächtet» worden. Als ich einmal mit der Harmonika spielte stand eine Gesangsgruppe auf und meinte: »Um Gotteswillen, die Frauen mit ihrer Emanzipation, jetzt spielen sie auch noch solche Instrumente!« Für mich war es schlimm, wie die Männer mich diese Geringschätzung haben spüren lassen. Erst als ich besser war wie der, oder der…, wurde ich akzeptiert.

» Am Anfang hatte ich das Gefühl, als wäre ich »geächtet» worden. «

Wie spielen Sie eine Begleitung zu einer Melodie, die Sie nicht kennen?

Begleitete ich eine Melodie, die ich zum ersten mal höre, so bin ich ständig »auf dem Sprung« und sehr behutsam. Manchmal ist es sogar möglich, zweideutig zu spielen. Beispielsweise wenn ein Bass verwendet wird, der sowohl zur 1., als auch zur 5. Stufe gehört.

Uschi Mader: Begleite ich zum erstenmal eine Melodie, so versuche ich mich an einfache Grundschemata zu halten und so zu spielen, dass ich die Melodie nicht zu sehr beeinträchtige durch Bassgänge oder zu lautes Spiel. Ich schaue den Spieler auch an und versuche durch seine Schulter- oder Kopfbewegungen den Fluss der Melodie abzulesen.

Fühlen Sie sich als Repräsentant einer musikalischen Region?

Für die Gitarre gibt es keinen allumfassenden, oberbayerischen Stil. Es gibt das Oberland, d. h. die Gegend um Bad Tölz, Miesbach und Tegernsee, wo eine etwas »geradere« Spielweise vorherrscht, vielleicht nicht so rasant. Ich würde sie als die Nachfolge von Kiem Pauli bezeichnen.
Dann gibt es den »Reiser-Stil«. Dies ist mehr ein auf die Person Tobi Reiser bezogener Stil und klingt nicht typisch oberbayerisch.
Wir spielen auch gerne Stücke vom Klaus Karl und die hören sich natürlich auch anders an.
Auf dem Akkordeon vertrete ich am ehesten den oberbayerischen Stil, weil ich sehr stark durch meine Heimat und die Spielweise von Winkler Sepp beeinflusst bin.
Wir können nicht sagen, eine typische Musik unserer Heimat zu spielen. Die Einflüsse aus Tirol, dem Inntal, Salzburg und dem Oberland sind ungefähr gleichermaßen stark da.
Die Meinungen über Volksmusik gehen sehr stark auseinander. Der eine versteht alles darunter, was das Volk tut, dann müsste man wieder definieren: Was ist das Volk? Der andere geht dahin, zu sagen: Das ist eine Musikrichtung mit ganz bestimmten Vorstellungen, die dann doch relativ eingeengt sind. Wir verstehen uns eher zu dieser Richtung gehörend.

Interview: René Senn
Das Gespräch wurde am 17.10.1992 in Töging aufgenommen.
(Archiv: R. Senn) (Fotos: R. Senn)