» Die Hälfte steht nicht auf dem Blattl «
(Wolfi Scheck)
Volksmusikstile
Alte Volksmusik
Die alte Volksmusik befasst sich mit der Musik und den Instrumenten vor dem 19. Jahrhundert. Die bevorzugten Musikinstrumente waren damals Dudelsack, Drehleier, Flöten und Geigen.
Die alpenländische Bordunmusik aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind ursprünglich einstimmige Melodien über einem gleichbleibenden Bordun (Dauerklang). Als Tanzmusik wurden diese Stücke auf dem Dudelsack oder der Drehleier gespielt.
» … ein kreativer Umgang mit tradierten Melodien, lustvolles und lebhaftes Musizieren… sowie die schriftlose Wiedergabe der Musik. «
aus dem Nachruf auf Rudi Pietsch (Volksmusik in Bayern 2020)
Traditionelle Volksmusik
Die traditionelle Volksmusik ist zeitlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts einzuordnen. Die traditionellen Musikinstrumente sind Holz- und Blechblasinstrumente, Streich- und Zupfinstrumente — Zither, Harfe, Diatonisches Hackbrett… und die »Guitarre«.
Die »Tanzlmusi« spielt mit Holz-, Blech- und Streichinstrumenten zum Tanz, die »Stubnmusi« musiziert mit Saiteninstrumenten eher zum Zuhören.
Ein Fundus für traditionelle Melodien: »Bauernmusi« (1. und 2. Folge)
Ein gitarristischerer Ansatz aus dem 19. Jh.: Mauro Giuliani (1781-1829)
Konventionelle Volksmusik
Die konventionelle Volksmusik ist nach der traditionellen Volksmusik entstanden, ab der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Stücke sind sozusagen der traditionellen Volksmusik nachempfunden.
Neue Volksmusik
Die neue Volksmusik, auch als »Volxmusik« oder »Tradimix« bezeichnet, ist traditionelle Volksmusik mit neuen Ideen oder verschiedenen anderen Musikgenres verbunden.
Kommerzielle Volksmusik
In der kommerziellen Volksmusik, auch »volkstümliche Musik« oder »Schlager« genannt, geht es um die Vermarktung der alpenländischen Klischees dieser Musikkultur. Volkstümlich im Sinne von Bertold Brecht hat eine andere Bedeutung!
Volkstänze
Volkstänze können einfacher und eindeutiger nach tänzerischen (choreographischen), als nach musikalischen Kriterien unterschieden werden.
Rundtänze
Bei Rundtänze (allgemeine Tanzformen) wiederholen die Tänzer den gleichen oder ähnlichen Schritt zu verschiedenen Melodien wie Walzer, Landler, Dreher, Polka und Zwiefache.
Figurentänze
Bei Figurentänze werden festgelegte Figurenfolgen und Schritte zu einer bestimmten Melodie getanzt, so wie beim »Siebenschritt«, »Kuckuckspolka«, »Hüatamadl« oder »Paschater Zweischritt«.
Beim »Siebenschritt« oder »Paschater Zweischritt« wird das Stampfen und Klatschen (Paschen) in den musikalischen Prozess miteinbezogen.
Volkslieder
Apenländische Lieder können nach ihrer sprachlichen und geographischen Herkunft, oder wie bei Liederbücher oder Liedersammlunge in verschiedene Liedgattungen, eingeteilt werden.
Weltliche Liedgattungen
Jodler und Almlieder · Gstanzl und Schnaderhüpfeln (Ländlerlieder) · Liebes- und Hochzeitslieder · Jagdlieder · Arbeits- und Ständelieder · Gebiergslieder · Tanzlieder · Trink- und Lumpenlieder · Erzähllieder (Balladen und Moritate) · Glückwunschlieder (Geburtagslieder) · Lieder vom Tages- und Jahreslauf · Wirtshauslieder · Kinder- und Wiegenlieder
Geistliche Liedgattungen
Religiöse Lieder · Advent- und Weihnachtslieder · Hirten-, Neujahrs- und Sternsingerlieder (Dreikönigslieder) · Marien-, Passions- und Osterlieder · Totenlieder
» Die Aufzeichnungen (Notationen) von Musikanten dienten gewöhnlich nur als Gedächtnisstütze und als Gerüst, das improvisatorischen Freiheiten stets Raum bot. «
(Walter Deutsch 1994)
Polka
» Kommt die Polka aus Polen? «
Die Polka, beziehungsweise Schnellpolka, ist ursprünglich ein Tanz aus Böhmen und wurde aus dem Wort půlka (Hälfte) abgeleitet. Mit »Hälfte« sind die schnellen Halbschritte beim Tanzen gemeint. Die Polka wurde in Böhmen erstmals um 1830 erwähnt.
Die Polka ist ein Tanz im 2/4 Takt (gerader Takt), wird beschwingt und schnell gespielt und hat eine 16-taktige Grundform.
Notenbeispiel
Trahüttner Polka
Der A-Teil ist der 1. Teil der 3-teiligen Schnellpolka.
Die vollständige Version, Partitur mit Noten und Stimmen mit Noten/Tabulaturen, sind im Online-Noten-Verlag erhältlich: Altbairische Gitarrenmusik / Gitarrenduo · Folge 2
Boarischer
» … der Boarische aus Bayern!? «
Das Wort Boarischer dürfte um die Mitte des 19. Jahrhunderts von dem oberösterreichischen Tanz »Bäurisch Polca«, beziehungsweise von dem Wort »bäuerlich« abgeleitet sein.
Der Boarische, auch Bayrisch-Polka genannt, ist eine langsame Polka und mit dem Rheinländer oder Schottisch verwandt.
Der Boarische ist ein Tanz im 2/4 Takt (gerader Takt), wird langsam bis mittelschnell gespielt und hat eine 8-taktige Grundform.
Notenbeispiel
Neukirchner Boarischer
Der A-Teil ist der 1. Teil der 3-teiligen langsamen Polka.
Die vollständige Version, Partitur mit Noten und Stimmen mit Noten/Tabulaturen, sind im Online-Noten-Verlag erhältlich: Altbairische Gitarrenmusik / Gitarrenduo · Folge 2
Halbwalzer · Walzer
» Was ist ein Halbwalzer? «
Der Begriff Halbwalzer könnte wie die Polka eine ähnliche Herkunft haben und von den beim Tanzen verwendeten schnellen Halbschritten abgeleitet werden.
Der Halbwalzer oder Walzer ist ein Tanz im 3/4 Takt (ungerader Takt, Walzertakt), wird mittelschnell bis schnell gespielt und hat eine 16-taktige Grundform.
Notenbeispiel
Halbwalzer in C
Der A-Teil ist der 1. Teil des 3-teiligen Halbwalzers.
Die vollständige Version, Partitur mit Noten und Stimmen mit Noten/Tabulaturen, sind im Online-Noten-Verlag erhältlich: Altbairische Gitarrenmusik / Gitarrenduo · Folge 1
Landler
» Landler oder Ländler? «
Die Bezeichnung Landler oder Ländler dürfte vom Wort Landlerischen (Österreich Anfang 19. Jh.), beziehungsweise »landlerisch« oder »ländlichen« abstammen.
Der Landler ist ein Tanz im 3/4 Takt (ungerader Takt), wird langsam gespielt und hat eine 8-taktige Grundform.
Der Landler ist mit dem Steyrer (auch Steirer oder Steirischer) verwandt. In der Steiermark werden Ländler im allgemeinen als Steirer bezeichnet.
In der Schweiz wird der Begriff Ländler oder Ländlermusik für Volksmusik verwendet und grenzt zur volkstümlichen Musik ab. Der Ländler als Tanz (3/4 oder 3/8 Takt) wird, wie ein Halbwalzer, vergleichsweise schnell gespielt.
Notenbeispiel
Landler in A
Dieser Landler ist aus der »Bauernmusi« und der 2. Teil von 4-teiligen Alte Landler
Die vollständige Version, Partitur mit Noten und Stimmen mit Noten/Tabulaturen, sind im Online-Noten-Verlag erhältlich: Altbairische Gitarrenmusik / Gitarrenduo · Folge 2
Steirischer
» Steyrer Tanz: Ein trauliches Liebesgetändel… «
Der Steirische ist eine Untergattung des Ländlers. Mit Geigen oder Seitlpfeifen (Querflöten) gespielt, fallen die häufigen Verzierung (Triller) auf.
Notenbeispiel
Steirischer in A
Steirischer aus Bad Aussee
Die Melodien, erste und zweite Stimme, sollte so gespielt werden, dass die Töne nicht ineinander hineinklingen.
Gitarre 1: Die Melodiephrasierung mit Bindungen und Verzierungen sind technisch etwas schwieriger.
Innviertler Landler
» Die Melodie, der spezielle, angehängte Jodler (Almer) und der ‚verzogene‘ Rhythmus im ¾-Takt machen den Innviertler Landler zu einer spezifischen Spielform innerhalb der österreichischen Ländlerfamilie. «
UNESCO · Immatrielles Kulturerbe
Es ist ein falscher Ansatz, die Spielart des Innviertler Landler in eine exakte Notierung umzusetzen zu wollen. Der »verzogene« Rhythmus im ¾-Takt kann einfach durch die rhythmische Kürzung der 1. und 2. Zählzeit und der Dehnung der 3. Zählzeit erklärt werden.
Eine rhythmische Besonderheit ist der 5/8-Takt der Ländlermelodien (Schleunige) aus dem Salzkammergut, die als Schützentänze bezeichnet werden. Das Metrum des 3/4-Taktes wird um einen Achtel, auf fünf Achtel gekürzt.
Schützentänze wurden ursprünglich auf zwei Seitelpeifen (sechslöchrige Holzquerflöten) mit einer Schnurtrommel gespielt. Die einzelnen Teile werden wiederholt und zu einem mehrteiligen Stück zusammengefügt.
Notenbeispiel
Schützentanz Nr. 1
aus der Sammlung von Lepold Kahls (1897-1965) aus Bad Aussee
» Seine Besonderheit besteht im unregelmäßigen Wechsel zwischen Dreivierteltakt (Walzer) und Zweivierteltakt (Dreher). «
UNESCO · Immatrielles Kulturerbe
Der Zwiefache ist ein Tanz im Wechseltakt, der zwischen Walzerschritt und Dreherschritt (Polka) wechselt. Es gibt keine Struktur wie die Taktwechsel angeordnet werden. Diese sind bei jedem Stück anders.
» Traditionelle oder metrische Notation? «
Ich verwende die metrische Notation und stelle am Anfang bei der Taktangabe die zwei Taktarten vor. Bei dieser metrischen Notation wird die Polka (Dreher) im 4/4 Takt notiert.
Die traditionelle Notation verwendet für die Polka den gewohnten 2/4-Takt und für den Walzer den 3/4-Takt. Die Achtelnote im 2/4-Takt enspricht dann der Viertelnote im 3/4-Takt.
Der Instrumentalteil (A-Teil) und Gesangsteil (B-Teil) wird abwechselnd gespielt. Der Gesangsteil kann auch instrumental gespielt werden.
Tafelmusik
»Bei Bauernhochzeiten wurde während der Mahlzeit von den Musikanten sogenannte Tafelmusik aufgemacht, welche aus Menuetten, gefälligen Melodien bekannter Lieder, Märschen und kleinen Stücken bestand.« (Zoder und Preiß)
Im folgenden Notenbeispiel ist ein Stück ausgewählt das den Titel »Tafelstück um 1800« trägt und auch zur Gattung Tafelmusik passt. Ganz allgemein kann der Titel eines Stücke sehr irreführend und die Titelbezeichnung mit dem musikalischen Inhalt nicht übereinstimmend sein.
Notenbeispiel
Tafelstück um 1800
Der A-Teil ist der 1. Teil des 3-teiligen Stückes aus der »Bauernmusi«.
Liedweise
» Über d'Alma «
Eine Liedweise ist ein instrumental gespieltes Lied im 3/4-Takt und wird langsam, getragen und im freien Tempo (Tempo rubato) gespielt.
Die wohl bekannteste Liedweise Über d'Alma ist die Titelmelodie der BR-Fernsehreihe Unter unserem Himmel.
Notenbeispiel
Über d'Alma
Zweistimmige Liedversion (Trad.)
Instrumentalversion nach Sepp Eibl
Folgende Versionen sind im Online-Noten-Verlag erhältlich: Gitarrenduo · Folge 1 / Über d’Alma (3 Liedweisen) Gitarre solo · Folge 1 / Über d’Alma (3 Liedweisen)
Online-Lektion:
Gitarre solo / Über d’Alma (3 Liedweisen)
Jodler
» Jodler kann man nicht von den Noten lernen. Hört Euch echtes Jodeln an, so oft Ihr könnt. «
Kurt Huber (1893-1943)
Ein Jodler ist ein typisch alpenländisches Lied ohne Worte, mit aus der Mundart gefärbten Silben — »Ho-la-dje-i-du-i-jo… «. Die Melodie mit großen Tonsprüngen wird mit Brust- und Kopfstimme gesungen und beinhaltet auch die gesangliche Herausforderung den Ton genau zu treffen (Intonation).
Gespielte Jodler werden auf einem Instrument nachempfunden und sind meist auch frei im Tempo — Tempo rubato.
Notenbeispiel
Der Vexierjodler
aus der Steiermark, um 1875
Ein gespielter Jodler versucht den Gesang nachzuahmen. Die Atempausen sind durch die Zäsurzeichen (schräger Doppelstrich) gekennzeichnet und zeigen auch die musikalischen Phrasen an. Wie die meisten Jodler hat auch dieser ein freies Tempo (Tempo rubato). Mit der Legatotechnik (Aufschlag- und Abzugbindungen) werden die Melodiesprünge von der Brust- zur Kopfstimme imitiert.
Dieser Jodler wird nicht begleitet!
Lied
Der »Vexierjodler« – Notenbeispiel unter Jodler – ist als Gitarrenduo arrangiert.
Das Almlied »Über d'Alma« wird instrumental gespielt als Liedweise bezeichnet.
Das Tanzlied »Gockl, wannst net kraahst« unter der Gattung Zwiefacher, ist instrumental mit dem typischen Tonartwechsel umrahmt.
Das Gstanzl ist eine sehr verbreitete und beliebte alpenländische Liedgattung. Die Bezeichnung dürfte vom italienischen Wort stanza (Strophe) abstammen.
Die Gitarrenbegleitung ist so einfach gewählt, damit Gesang und Gitarre von einer Person gespielt werden kann. Mit Audio/Noten kann das Tempo und die Tonart (Pitch) eingestellt werden.
Notenbeispiel
Gstanzl
nach Kiem Pauli 1934 – gesungen von Maria Hallweger, 1927